1. Berliner Kolloquium – Neue Forschung zu Netzwerk-Architektur und politischer Kommunikation
von Uta Meier-Hahn
Tl;dr: Technologie ist mit einem Potenzial von Nutzungsweisen geladen und damit nicht neutral. Drei Forschungsvorhaben zeigen, wie sich die Verbindung zwischen gesellschaftlichen Werten und Internet-Architektur untersuchen lässt. Alle Beiträge berühren das Thema Netzneutralität. Dieser Begriff vollzieht bereits semantisch ein Zusammendenken von Technologie und Werten.
Netzneutralität: Nicht nur technisches Konstrukt, sondern auch Sinnbild
"Technology is neither good nor bad; nor is it neutral." Kranzberg formulierte diesen Satz 1986 - in Abgrenzung zur Vorstellung, dass Technologie menschliches Handeln bestimmt, aber auch in Abgrenzung dazu, dass unser Handeln frei ist von dem Einfluss der technologischen Umgebung; eine Binsenweisheit vielleicht. Je nach Zusammenhang und sozialer Praxis trägt Technologie zu gewünschten, aber auch unbeabsichtigten Ergebnissen bei. Sie ist geladen mit einem Potenzial von Nutzungsweisen und damit nicht neutral.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass sich Neutralität zu einem so bedeutsamen Schlagwort oder sogar Ideal in der Diskussion um das Internet entwickelt hat, und zwar über den Begriff "Netzneutralität". Die Wortschöpfung schafft eine Verbindung zwischen Technologie und Werten - die menschgemachte Netzinfrastruktur auf der einen Seite; auf der anderen der Anspruch, dass Bürger ungehindert kommunizieren und sich aus frei zugänglichen Quellen informieren können.
Der Begriff Netzneutralität postuliert, was mit Kranzberg gedacht unmöglich erscheint: dass sich Werte direkt in Technologie übersetzen lassen. Damit könnte man Netzneutralität abtun als konstruktivistische Utopie, als lasse sich Technik vollends kontrollieren.
Man könnte den Begriff aber auch als kluge Wortschöpfung betrachten, die uns einer realen Komplexität aussetzt: Wir meinen Werte, aber müssen mit Technologie hantieren. Und weil sich Nutzungsszenarien so verändern können, dass unbeabsichtigte neben beabsichtigte Wirkungen treten, scheint es unausweichlich, unser Verhältnis zur technischen Umgebung und den Verhaltensweisen, die sie nahelegt, immer wieder zu konkretisieren und empirisch abzuklopfen.
Dreimal Forschung zu Netzwerk-Architektur und politischer Kommunikation
Genau dies tun drei junge Wissenschaftler mit ihren Forschungsvorhaben rund um Netzwerk-Architektur und politische Kommunikation. Bei dem Berliner Kolloquium am 24. und 25. Oktober präsentierten sie den Stand ihrer Arbeiten.
Das Internet als "
Jurist Holger Greve stellte Ergebnisse seiner Dissertation zum Verhältnis von Netzinfrastruktur und Kommunikationsfreiheit vor. Er argumentierte, das Internet als "
Der Widerspruch zwischen einem transnationalen Netz und nationalstaatlichen Regelungsansprüchen führe allerdings zu einer Re-Territorialisierung des Internets. "Es ist ein Trugschluss, dass es ein Internet gibt", meint Greve. Regierungen würden sich international diverser Methoden bedienen, um Informationen zu beschränken. Diese reichten von Kill Switches, dem Blockieren und Löschen von Inhalten, verschärften Haftungsbedingungen für Internet Service Provider bis zur Abschaffung der Möglichkeit von Anonymität. Die Zugangschancen zum Internet seien international ungleich. Problematisch seien die Eingriffe nicht nur für sich, sondern besonders in ihrer Mischung. Es erwachse eine Belastungsstruktur, die den Kommunikationsfluss erheblich beeinflusse. Greve folgert: Grundrechte sind zwar als Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat angelegt. Doch im Internet entwickelt der Grundrechtsgebrauch der Vielen eine andere Dimension. Daraus lasse sich für den Staat die Pflicht ableiten, diesen Raum zu garantieren, sprich: die Freiheiten nicht nur einklagbar zu machen, sondern aktiv zu gewährleisten.
Wirkt sich gestörte Netzneutralität auf politische Kommunikation aus?
Politikwissenschaftler Felix Francke sorgte mit der Vorstellung seines Dissertationsvorhabens für eine lebhafte Diskussion. Er untersucht "Netzneutralität als Nebenbedingung Politischer Kommunikation in digitalen Demokratien Europas". Seine Beobachtung: Netzneutralität an sich kreiert keinen öffentlichen Raum im Internet. Sie sorgt nicht dafür, dass alle am politischen Diskurs teilnehmen. Sie liefert nicht einmal einen Impuls. Aber Netzneutralität wirke sich darauf aus, wie wir uns informieren. Und das sei Teil des politischen Kommunikationsprozesses. Die potenzielle Beeinträchtigung dieses Prozesses durch Störungen der Netzneutralität hält Francke für gravierend, gerade für solche Kommunikation, die unterhalb der Relevanz für Massenmedien stattfindet: "Das nächste Google wird in irgendeiner Garage gegründet, aber vielleicht wird auch die nächste Merkel in einer Garage gegründet. Nur können wir das erkennen?" Die anschließende Diskussion zeigte, wie relevant Franckes Thema erscheint. Es gab aber auch kritische Anmerkungen zur aufgestellten Kausalität: Wenn Netzneutralität eine Nebenbedingung für politische Kommunikation ist, gibt es dann keine politische Kommunikation ohne Netzneutralität?
Wie etablierte Demokratien im Internet Information regulieren
Kommunikationswissenschaftleri
très bien uta!