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Das Foto zeigt einen Einkaufskorb mit Tomaten, um das Sammeln von Daten im Zuge der Personalisierung zu veranschaulichen.
30 Juli 2024| doi: 10.5281/zenodo.13143366

Im Supermarkt verfolgt mich niemand

Warum wird mir im Internet ständig genau das anzeigt, was mich interessiert? Personalisierte Werbung bringt nicht nur Vorteile mit sich, sondern ist oft lästig und birgt unerwünschte Auswirkungen für Nutzer*innen. Dieser Blogbeitrag zeigt einen Ausschnitt aus einem laufenden Forschungsprojekt zu dem Thema. Dabei geht es darum wie Internetnutzer*innen Personalisierung erleben und wie ihnen Risiken, Vorteile und Handlungsmöglichkeiten besser erklärt werden können. Denn in der gesellschaftlichen Debatte um Personalisierung herrschen viele Missverständnisse.

Das Problem mit den Cookie-Bannern

Personalisierte Werbung begegnet uns im Internet an vielen Stellen. Beim Surfen und dem Nutzen von Apps fallen viele Informationen an, die Auskunft darüber geben können, was uns interessiert und was nicht. Dazu können uns passende Werbung und Inhalte angezeigt werden. Was dabei alles über uns aufgezeichnet wird und was im Hintergrund passiert, damit wir passende Inhalte angezeigt bekommen, soll uns eigentlich in sogenannten Cookie-Bannern erklärt werden. Cookies sind kleine Dateien, mit denen Nutzer*innen von der Website wiedererkannt werden können. Cookie-Banner sind die kleinen Nachrichten, die auf Webseiten erscheinen. Sie informieren Nutzer*innen darüber, warum und wofür die Wiedererkennung genutzt werden soll. Die Erklärungen in den Bannern sind meistens aber so kompliziert, dass die wenigsten sie verstehen (Grafenstein/Heumüller et al 2021). Um besser erklären zu können, was bei der Personalisierung passiert und welche Risiken und Vorteile sie birgt, untersucht das Projekt ‘Sicher im Datenverkehr’ (SiD) die Perspektive alltäglicher Internetnutzer*innen zu diesem Thema.

Probleme aus Sicht der Nutzer*innen

Welche Erfahrungen machen Nutzer*innen mit personalisierter Werbung im Internet? Um das zu herauszufinden, wurden im Rahmen des Forschungsprojekts Interviews mit Internetnutzer*innen geführt, in denen sie zu ihren Beobachtungen und Meinungen befragt wurden. Dabei kamen verschiedene Aspekte zur Sprache, die die Nutzer*innen als problematisch empfanden. Unter anderem kritisieren die Teilnehmenden, dass generell zu viel Werbung angezeigt wird. Sie äußerten die Sorge, durch Werbung zum Kauf von Produkten verleitet zu werden, die sie eigentlich nicht benötigen oder wollen. Ein weiterer Kritikpunkt war die mangelnde Transparenz darüber, welche Informationen über sie gespeichert werden. Viele Nutzer*innen empfinden es zudem als unangenehm und unerwünscht, dass Unternehmen überhaupt Informationen über sie sammeln und speichern. Auch wenn die bloße Speicherung von Nutzerdaten zunächst keine direkten Auswirkungen auf die Nutzer*innen hat, wird diese Praxis dennoch mit großem Unbehagen betrachtet. Doch was genau ist der Grund für dieses Gefühl?

Die Gespräche lieferten auch hierzu mögliche Antworten. Viele Interviewteilnehmer*innen bezogen sich mehrfach auf die analoge Welt, um ihre Bedenken bezüglich Cookies zu verdeutlichen. Zwei Beispiele illustrieren, warum bereits das bloße Sammeln von Daten als unangenehm empfunden werden kann.

Ein Interviewteilnehmer verdeutlichte dies anhand eines Vergleichs mit persönlichen Interaktionen: “[…] jetzt einmal unabhängig von Computern, wenn ich mit Menschen rede, dann gibt es Leute, mit denen ich sehr vertraut bin, da kann ich eigentlich über alles reden. Und dann gibt es natürlich im geschäftlichen Umgang/ würde [ich] nicht anfangen, mit meinem Elektriker jetzt über meine gesundheitlichen Probleme zu reden […]“. Hier zieht er eine Parallele zwischen digitalen und analogen Interaktionen und unterstreicht, dass das Teilen von Informationen über seine Gesundheit in geschäftlichen Kontexten unüblich ist. Bei der Anzeige von personalisierten Inhalten kann es aber dazu kommen, dass diese Informationen erhoben und dazu verwendet werden, Passendes anzuzeigen.

Ein weiteres Beispiel verdeutlicht, warum allein das Sammeln von Daten unangenehm sein kann, selbst wenn es zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf Personen hat. Die Teilnehmerin äußert sich dazu wie folgt: „Ich fänds auch mega strange, wenn jemand im Supermarkt hinter mir her läuft, wann ich zu welcher Abteilung im Supermarkt gehe“. Die Datenerfassung wird hier deutlich gemacht, indem von einer Person gesprochen wird, die das Verhalten beobachten würde. Diese Art der Verfolgung kann durchaus unangenehm wirken, auch wenn sie nicht so nicht stattfindet. 

Was tun die Nutzer*innen?

Nutzer*innen versuchen auf verschiedenen Wegen, die unerwünschte Datenerhebungen zu umgehen. Sie verwenden Werbeblocker oder ändern ihre Einstellungen, um weniger personalisierte Werbung zu sehen. Ein Nutzer erklärt: „Also für mich gilt, wenn dieser Button ‘allen widersprechen’ oder ‘alle ablehnen’ da ist, nehme ich den, grundsätzlich.“ Wahrscheinlich wird hier davon ausgegangen, dass das Ablehnen von Cookies die Datensammlung verhindert, auch wenn dies nicht unbedingt der Fall sein muss. Denn die Werbeunternehmen können Nutzer*innen auch anhand anderer Informationen identifizieren und das Nutzungsverhalten so einordnen. Werbeblocker blenden zudem die als störend empfundene Werbung aus. Doch dadurch entgehen den Unternehmen Einnahmen, mit denen die kostenlosen Angebote im Internet finanziert werden.

Doch Personalisierung ist nicht nur lästig. Die Teilnehmenden sehen in ihr durchaus Vorteile, wie folgende Aussage zeigt: “In anderen Bereichen ist Personalisierung natürlich auch einfach eine Steigerung von Komfort und gewissermaßen dann auch Nutzerfreundlichkeit.“ (4M25, Pos. 14) Personalisierung von Werbung im Internet kann die Nutzerfreundlichkeit erhöhen, indem sie Inhalte, Werbung und Empfehlungen an die individuellen Interessen und Vorlieben der Nutzer*innen anpasst. Dadurch finden Nutzer*innen schneller relevante Informationen und Produkte. Funktionen wie automatische Logins und personalisierte Startseiten tragen zu einem komfortableren und nahtloseren Nutzungserlebnis bei. So wird das Surferlebnis effizienter und angenehmer gestaltet. 

Wie geht es weiter?

Die Untersuchung im Rahmen des Projekts SID zeigt, dass Nutzer*innen Vor- und Nachteile bei personalisierte Werbung im Internet sehen. Sie schätzen den Komfort, den personalisierte Vorschläge bieten können, wenn relevante Werbung und Empfehlungen angezeigt werden, sehen jedoch auch negative Punkte. Die mangelnde Transparenz bei der Datenerhebung führt zu einem Unbehagen, das viele Menschen dazu bringt, Werbeblocker zu verwenden oder ihre Datenschutzeinstellungen anzupassen.

Das Projekt SID will herausfinden, woher bestimmte gesellschaftlich geprägte Vorstellungswelten und Narrative kommen und neue Narrative entwickeln, die Nutzer*innen darüber aufklären, welche Auswirkungen Personalisierung und bestimmte Datenverarbeitungsweisen für sie haben. Das Ziel ist es, die Verständiswelt von Nutzer*innen und die Einschätzung von Expert*innen zusammenzubringen und somit die Datenverarbeitungsweisen einfacher zu erklären. So sollen Bürger*innen besser entscheiden können, was sie im Kontext der Personalisierung nutzen möchten und was nicht. Im weiteren Projektverlauf werden mit Hilfe der Erkenntnisse Bildungsmaterialien erstellt, mit denen Bürger*innen über die Vorteile, Risiken und Handlungsmöglichkeiten bei Personalisierung im Internet aufgeklärt werden sollen.

Referenzen

Grafenstein, Max von, Julie Heumüller, und Timo Jakobi. „Die Gestaltung wirksamer Bildsymbole für Verarbeitungszwecke und ihre Folgen für Betroffene Mithilfe einer interdisziplinären Forschungsmethodologie“. In Alexander Boden, Timo Jakobi, Gunnar Stevens, Christian Bala (Hgg.): Verbraucherdatenschutz-Technik und Regulation zur Unterstützung des Individuums, 1–20, 2021.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Maximilian Lukat

Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Daten, Akteure, Infrastrukturen

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