Unsere vernetzte Welt verstehen
Beteiligung in der Smart City
Wie können wir smarte Städte schaffen, die die Bedürfnisse ihrer Bürger*innen in den Mittelpunkt stellen? Die automatisierte Verarbeitung großer Datenmengen bietet zahlreiche Möglichkeiten für die Gestaltung und Entwicklung städtischer Infrastrukturen. Für die gemeinwohlorientierte Verarbeitung von Daten müssen jedoch die Interessen verschiedener Akteur*innen der Stadtgesellschaft berücksichtigt werden. Dieser Artikel beleuchtet, welchen Beitrag eine Beteiligung von Bürger*innen in datengetriebenen Prozessen leisten kann und welche Herausforderungen für erfolgreiche Partizipation bewältigt werden müssen.
Bei der Entwicklung einer Stadt zur Smart City spielen Daten eine zentrale Rolle. Öffentliche Verwaltungen können sie beispielsweise zur Planung kommunaler Maßnahmen nutzen. Auch zur Entwicklung digitaler Bürger*innenservices oder zur intelligenten Steuerung städtischer Infrastrukturen sind sie hilfreich. Deswegen bietet die automatisierte Verarbeitung großer Datenmengen viele Möglichkeiten für die Gestaltung und Entwicklung von Städten. Gleichzeitig birgt sie jedoch auch Konfliktpotential. Das liegt daran, dass die wahrgenommenen Mehrwerte und Risiken einer Datenerhebung bzw. -verarbeitung zwischen den verschiedenen Interessengruppen einer Stadtgesellschaft erheblich variieren. Diese Gruppen setzen sich aus relevanten Akteuren wie zum Beispiel Politker*innen, Mitarbeiter*innen aus den Verwaltungen, Forscher*innen, Bürger*innen oder Unternehmen zusammen.. Sie erheben und verarbeiten die Daten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, innovative Lösungen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen. Zivilgesellschaftliche Akteure sind oft unmittelbar von den Auswirkungen datenbasierter Maßnahmen betroffen und können aus diesem Grund wertvolle Perspektiven in die Vorhaben einbringen.
Um datengetriebenes Verwaltungshandeln in diesem Spannungsfeld möglich zu machen, ist es erforderlich, alle Interessengruppen in die Prozesse einzubeziehen. Im folgenden Text liegt der Fokus auf der Beteiligung von Bürger*innen. Kern des Gedanken ist, dass betroffene Bürger*innen Zugang zu Informationen über datengetriebene Prozesse benötigen, um sich einbringen und mitgestalten zu können. Auf diese Weise können sie zum Schutz der Betroffenen und zum gesellschaftlichen Gemeinwohl insgesamt beitragen.
Was verstehen wir unter Beteiligung und wozu dient sie?
Beteiligung (alternativ auch: Partizipation) ist ein vielseitig verwendeter Begriff, der in politischen Prozessen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Beteiligung kann zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung beitragen, die Akzeptanz von Vorhaben erhöhen und/oder die Effizienz eines Verfahrens steigern. Bürger*innen haben die Möglichkeit, sich auf kommunaler, Landes-, Bundes- und sogar EU-Ebene zu beteiligen. In verschiedenen Formaten können sie zum Beispiel Stadtentwicklungsprojekte, Planungen für den öffentlichen Nahverkehr oder umweltpolitisch
e Vorhaben diskutieren. Insbesondere in datengetriebenen Projekten ist es wichtig, dass Bürger*innen eine ganze Reihe an Entscheidungen nachvollziehen können: Auf welche Weise werden Daten erhoben und/oder verarbeitet? Welche Schlüsse können daraus gezogen werden? Wie kommen aus diesen die daraus abgeleiteten Maßnahmen zustande?
Das Institut für Partizipatives Gestalten unterscheidet drei aufeinander aufbauende Beteiligungsstufen, bei denen die tatsächlichen Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten variieren:
- Informative Partizipation bezieht sich auf die Bereitstellung von Informationen über Entscheidungen, Projekte oder politische Entwicklungen. Das Hauptziel besteht darin, Transparenz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Bürger*innen informiert werden. Dies kann durch verschiedene Kommunikationsmittel wie Webseiten, Broschüren, Pressemitteilungen oder öffentliche Versammlungen erreicht werden. So stellt beispielsweise das Bundesministerium der Finanzen (BMF) detaillierte Daten über die Einnahmen und Ausgaben des Bundes online zur Verfügung und fördert damit die Transparenz über den Bundeshaushalt. In ähnlicher Weise informieren auch viele deutsche Städte wie Berlin und München über laufende und geplante Bauprojekte, ohne die Bürger*innen direkt in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.
- Bei der deliberativen Partizipation werden die Bürger*innen aktiv in Debatten einbezogen und haben auf diese Weise die Möglichkeit, ihre Perspektiven darzustellen und gemeinsam zu beraten. Durch die Diskussion soll die demokratische Legitimation und das Verständnis zwischen Bürger*innen und Entscheidungsträger*innen gefördert werden. Ein bekanntes Berliner Beispiel ist etwa die Beteiligungsplattform Tempelhofer Feld, über die Bürger*innen ihre Anliegen rund um Maßnahmen, Veränderungen und zentrale Projekte auf dem Tempelhofer Feld einbringen können.
- Kollaborative Partizipation meint die aktive Zusammenarbeit zwischen Bürger*innen und Entscheidungsträger*innen, wie zum Beispiel Personen aus Politik oder Stadtplanung, bei der Gestaltung und Umsetzung von Projekten. Indem die Bürger*innen in alle Phasen des Entscheidungsprozesses einbezogen werden und Lösungen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden, soll die Akzeptanz für Entscheidungen erhöht werden. In verschiedenen Stadtteilen Berlins gibt es beispielsweise Quartiersmanagement-Programme, bei denen Bürger*innen gemeinsam mit Stadtplaner*innen und der Verwaltung an der Verbesserung ihrer Nachbarschaften arbeiten.
Wer sollte beteiligt werden?
Im Kontext einer Maßnahme sollten all jene Akteur*innen beteiligt werden, die von der Erhebung und/oder Verarbeitung von Daten bzw. von den Auswirkungen einer datengetriebenen Entscheidung betroffen sind. In Bezug auf Daten in der Smart City bedeutet dies, dass insbesondere Bürger*innen, Wirtschaftsakteure sowie Politik und Verwaltung miteinander in Austausch treten sollten. Für Bürger*innen kann es herausfordernd sein, datengetriebene Entscheidungen einer Verwaltung nachzuvollziehen. Der Grund dafür ist, dass die Erhebung, Verarbeitung und Interpretation von Daten auf komplexen Analysen und Technologien beruhen. Diese erfordern technisches Wissen und Expertise, über die Bürger*innen nicht immer verfügen. Durch die Beteiligung kann Wissen zwischen den Akteuren geteilt und Informationsdefizite ausgeglichen werden. Dies gewährleistet außerdem Transparenz in der Kommunikation einer Entscheidung und ihrer Hintergründe. Das Risiko, dass Interessenkonflikte später vor Gericht ausgetragen und Planungsentscheidungen in der Folge rückwirkend aufgehoben werden, kann durch eine frühzeitige Beteiligung reduziert werden.
Wie wird beteiligt?
In vielen Verwaltungsverfahren ist eine sogenannte formelle Beteiligung gesetzlich vorgesehen. Diese legt je nach Verfahren zum Beispiel fest, wann Bürger*innen über ein Vorhaben informiert werden müssen und wo Ideen eingebracht werden dürfen. Aber auch, welche Hebel ihnen zur Verfügung stehen, um Entscheidungen anzufechten. Eine solche formelle Beteiligung kann in ihrer bisherigen Ausgestaltung besonders komplexen oder emotionalen Themen bislang nur bedingt gerecht werden. Formelle Beteiligung ist in ihrem Umfang und Umgang mit den Ergebnissen klar definiert. Um der besonderen Komplexität von Daten gerecht zu werden, sollte formelle Beteiligung aber neu interpretiert und durch informelle Methoden ergänzt werden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz lässt dafür in § 10 ausreichend Spielraum.
Insbesondere bei der Einführung einer neuen datengetriebenen Maßnahme sollte die Beteiligung von Anfang an fester Bestandteil des Verfahrens sein. Die Stufe der Beteiligung kann im Laufe des Prozesses variieren. Ein deliberatives Verfahren hat zum Beispiel immer auch informative Komponenten. Während in einigen Phasen Interessenkonflikte bereits durch Information gelöst werden können, sind in anderen Phasen deliberative oder kollaborative Formate erforderlich. Unabhängig von der aktuellen Prozessphase sollten eine Darstellung des Gesamtprozesses, alle darin verarbeiteten Daten und die daraus abgeleiteten Informationen dauerhaft zugänglich gemacht werden, um eine Begegnung aller Beteiligten auf Augenhöhe zu ermöglichen. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für die Erfüllung des Transparenzgebotes und somit der effektiven demokratische Kontrolle durch die Bürger*innen als Souverän (Art. 20 II GG).
Was braucht erfolgreiche Beteiligung in einer Smart City?
Verstehen Bürger*innen die Hintergründe, Prozesse und Entscheidungen datengetriebener Vorhaben nicht, kann dies zu Widerstand gegen die Maßnahmen führen. Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Gruppen in einer Stadt, die etwa entstehen, wenn Straßenraum zugunsten einer Mobilitätsform neu verteilt wird, lassen sich durch Beteiligung gezielt adressieren und im besten Fall auflösen. Beispielsweise kann durch die Analyse von Verkehrsdaten der Ausstoß von Luftschadstoffen (sogenannten Emissionen) einzelner Mobilitätsformen simuliert werden, um daraufhin eine Verkehrsmaßnahme zur Förderung von weniger schadstoffreichen Mobiliätsformen zu entwickeln. Um die möglichen Risiken (z.B. Konflikte zwischen Autofahrer*innen und Radfahrer*innen bei der Umverteilung von Fahrspuren) gegen den möglichen Mehrwert (zum Beispiel saubere Luft für alle) abwägen zu können, müssen die Bürger*innen jedoch folgende Punkte verstehen:
- Wer ist zu welchem Zeitpunkt von der Erarbeitung des Konzepts bis zur Umsetzung in den Prozess eingebunden und wer darf worüber entscheiden?
- Auf Basis welcher Daten wird eine solche Analyse durchgeführt und wer hat diese Daten erhoben?
- An welcher Stelle können sich die Bürger*innen gegebenenfalls selbst mit eigenen Anliegen oder Daten in den Prozess einbringen?
Diese Fragen müssen im Rahmen einer Informationsstrategie beantwortet werden. Eine solche Informationsstrategie ist die Grundlage dafür, um die Komplexität datengetriebener Maßnahmenprozesse handhabbar zu machen. Die Informationsstrategie bzw. zugängliche Informationsplattform umrahmt die einzelnen Beteiligungsformate und zeigt auf, wo und wie gewonnene Ergebnisse weiterverarbeitet werden. Zudem befähigt sie alle Beteiligten (einschließlich Bürger*innen, Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung, Wirtschaftsunternehmen und Politiker*innen) dazu, sich informiert in einen Prozess einzubringen, die eigenen Interessen zu vertreten und auf diese Weise die Interessenkonflikte gemeinsam aufzulösen.
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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