Bericht zur X. Völkerrechtskonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zum Thema „Recht und Sicherheit / Cyber Security“
Am 16. und 17. Oktober 2013 nahm das Team des Kompetenznetzwerkes für das Recht der zivilen Sicherheit in Europa (KORSE) des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) an der X. Völkerrechtskonferenz der KAS zum Thema „Recht und Sicherheit / Cyber Security“ in Bonn teil. Die Konferenz widmete sich den Schwierigkeiten und Aufgaben, die der Cyberraum für die Ausgestaltung nationaler und internationaler Sicherheitspolitik mit sich bringt. Mit Experten aus Deutschland, China, Südkorea, Israel, Tansania, den Vereinigte Staaten von Amerika und Rumänien wurden an zwei Tagen die zentralen Herausforderungen wirksamen Rechtsschutzes im Cyberraum diskutiert.
Die Auftaktveranstaltung
Eröffnet wurde die Konferenz mit einer Rede des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Herrn Dr. Hans-Georg Maaßen. Maaßen ging vornehmlich auf die Affäre um die Überwachung durch die US National Security Agency (NSA) ein. Er kommentierte die Aufregung in dieser Angelegenheit mit dem Zitat eines Bundestagsabgeordneten, der – sinngemäß – vor allem „davon überrascht war, dass alle so überrascht waren“. Maaßen erklärte die sehr verschiedenen Reaktionen auf die Affäre in den USA und Deutschland vornehmlich damit, dass in den Ländern ein grundlegend anderes Verständnis von Datenschutz bestehe. Im Hinblick auf die Verbesserung von Datensicherheit und Datenschutz in Deutschland, wies Maaßen darauf hin, dass deutsche Maßnahmen aufgrund der Verflechtungen Deutschlands mit der Europäischen Union (EU) und ihren Mitgliedsstaaten ohne flankierende Erhöhung der Sicherheitsstandards in ganz Europa und den europäischen Institutionen nur begrenzt Wirkung entfalten könnten.
Maaßens Eröffnungsrede kommentierte Professor Russell A. Miller von der Washington and Lee University School of Law, Virginia, USA, der seit diesem Jahr KORSE-Fellow an der Universität Freiburg ist. Miller schlug vor, die notwendige globale Koordination und Kooperation im Cyberlaw mittels internationaler Abkommen zu verwirklichen. Dabei wies er darauf hin, dass – gerade im Internet – nichtstaatliche Akteure wie Telekommunikationsunternehmen eine wichtige Rolle spielten. Das klassische Verständnis, dass nur Staaten (und wenige internationale Organisationen) taugliche Völkerrechtssubjekte seien, stimme nicht mehr mit der Realität überein, in der z.B. Microsoft und Google über immense Ressourcen verfügten und bedeutende Technologien, Informationen und Daten kontrollierten. Unter Umständen seien diese Unternehmen einflussreicher als Staaten. Insofern müsse das Völkerrechtsverständnis der Lebenswirklichkeit angepasst werden.
Die Panels – insbesondere: Die richterliche Interessenabwägung im Sicherheitskontext
Am folgenden Tag fanden drei Experten-Panels zu folgenden Themen statt:
- Cybersicherheitspolititk im Mehrebenensystem
- Konventioneller Rechtsschutz im Zeitalter von Cyber-Straftaten und Cyber-Spionage
- Die “fünfte” Kriegsdimension: Cyberwar als Herausforderung für das Völkerrecht
Im Rahmen des zweiten Panels sprach Miller über den Prozess der richterlichen Abwägung im Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit im Bereich der Terrorismusabwehr.
Generelle Kritik an richterlicher Interessenabwägung
Zunächst stellte Miller fest, dass sowohl in deutschen als auch in US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen Richter oftmals die konfligierenden Interessen gegeneinander abwögen und danach festlegten, welches der kollidierenden Rechte sich schließlich durchsetze. Miller gab zu bedenken, dass diese richterliche „Letztentscheidungsbefugnis“ der Judikative eine Macht einräume, die ihr in Civil Law Ländern (z.B. Kontinentaleuropa) verfassungsrechtlich schon nicht zustehe und der auch die Common Law Tradition kritisch gegenüber stehe. Wie schon Professor Bernhard Schlink sieht Miller die Gefahr, dass die Freiheitsrechte durch diese richterliche Abwägungsprozesse so weich und formbar würden, dass keine wirksamen Freiheitsgarantieren existierten.
Kritik an richterlicher Interessenabwägung im Sicherheitskontext
Besonders kritisch sieht Miller den Abwägungsprozess im Sicherheitskontext. Denn im Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit im Extremfall der Terrorismusabwehr führe dieser Entscheidungsprozess zu einer faktischen Schlechterstellung des Einzelnen gegenüber dem Staat. Zum einen habe der Staat wesentlich umfassendere Möglichkeiten der Informationsgewinnung (z.B. durch Nachrichtendienste). Zudem kontrolliere der Staat in vielen Fällen die für die Abwägungsentscheidung relevanten Informationen. Gerade bei Informationen im Rahmen der Terrorismusabwehr könne der Staat leicht argumentieren, dass die einschlägigen Informationen relevant zum Schutze der Bürger vor erheblichen Gefahren seien, aber, um eben diesen Schutz gewährleisten zu können, geheim bleiben müssten und nicht offengelegt werden dürften. Aus diesem „Informationsmonopol“ folge, dass der Staat die öffentlichen Sicherheitsinteressen vor Gericht besser darlegen könne. Dem Bürger hingegen falle es wesentlich schwerer, seine Interessen hinreichend darzutun, um in der Abwägung zu bestehen, denn er habe kaum die Möglichkeit, an die relevanten Informationen zu gelangen.
Miller sieht darüber hinaus die Gefahr einer „democracy bias for security“ – einer demokratie-bedingte Verzerrung zugunsten von Sicherheitsinteressen. Denn in einer Demokratie sei der Volksvertreter, der wiedergewählt werden wolle, stets darauf bedacht, ein Höchstmaß an Sicherheit zu garantieren, um nicht für einen terroristischen Angriff verantwortlich gemacht werden zu können.
Fazit
Die Konferenz hat vornehmlich Probleme herausgearbeitet und Fragen aufgeworfen, ohne konkrete Antworten oder Lösungsvorschläge liefern zu können.
Bemerkenswert war, dass sich in der Diskussion immer wieder grundlegend unterschiedliche Auffassungen und Denkweisen der internationalen Teilnehmer zeigten. So bestanden im Verhältnis von Deutschland/Europa und den USA große Unterschiede nicht nur im Verständnis von Datenschutz, sondern auch zum Umfang der Bindung staatlicher Gewalt an die Grundrechte. Die deutschen Diskussionsteilnehmer waren sich weitgehend über zwei Aspekte einig. Zum einen dürfe die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt grundsätzlich nicht an den Staatsgrenzen halt machen. Außerdem müsse jedermann, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, vom Schutz der Grundrechte umfasst sein. Eine Ausnahme bildeten lediglich die sog. Deutschengrundrechte, die prinzipiell nur auf deutsche Staatsbürger Anwendung fänden. Daraufhin erklärte Miller, dass in den USA eine andere Auffassung vorherrsche. Danach sei die US-Verfassung von der US polity ausschließlich für die US polity gemacht worden. Der Staat sei grundsätzlich nur gegenüber US-Bürgern bzw. Personen mit vergleichbarem Status, die sich auf US-Staatsgebiet befinden, an die Vorgaben der Verfassung gebunden.
Weitere grundlegende Abweichungen wurden im Beitrag des chinesischen Rechtsexperten für Cyberlaw Dr. Liu von der Beijing Normal University Law School deutlich. Dieser erklärte, dass schon der Terminus „Cybercrime“ in vielen Teilen der Welt ganz unterschiedlich verstanden werde und plädierte daher für neue, nicht nur regionale, sondern internationale Abkommen. Dr. Liu schlug darüber hinaus die Errichtung eines eigenständigen Cyberlaw-Tribunals vor, das über Streitigkeiten zwischen mehreren Staaten entscheiden könne.
Die Konferenz hat die Notwendigkeit internationaler Koordination und Kooperation noch einmal verdeutlicht. Allerdings scheint es bis dahin noch ein weiter Weg, da es bereits an einem gemeinsamen Problemverständnis sowie gemeinsamen Zielvorstellungen fehlt.
Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institutes für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Artikel und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.
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