Unsere vernetzte Welt verstehen
Berliner Startup-Gründer hat einen flammenden Appell an die Generation Y
Deutschlands Wirtschaft geht es auf den ersten Blick fantastisch: Deutsche Maschinen werden weltweit gekauft und bewundert, auf dem Arbeitsmarkt sieht es entsprechend gut aus. Doch wie gut ist Deutschland für die Zukunft gerüstet? “Was mir Sorgen bereitet ist, dass die wirklich großen technologischen Trends auf uns zurollen – und wir sie nicht mitgestalten”, sagt Robin Tech, Gründer von Atomleap und Startup-Forscher am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, im HuffPost-Interview.
Herr Tech, Deutschland geht es auf den ersten Blick fantastisch. Stimmen Sie da überein?
Es stimmt, die Wirtschaft floriert, die Arbeitslosenzahlen sinken, Unternehmen verbuchen Rekordgewinne. Doch das ist kein Grund für Euphorie. Denn alle, die die Gegenwart feiern, vergessen den Blick in die Zukunft. Da sieht es nicht so rosig aus.
Was meinen Sie?
Was mir Sorgen bereitet ist, dass wirklich große und fundamentale technologische Trends auf uns zurollen – und wir sie nicht mitgestalten.
Können Sie Beispiele nennen?
Die künstliche Intelligenz allen voran. Oder große Fortschritte in der Robotik. Das Internet der Dinge. Neue Super-Materialen wie Graphen. Innovationen im Bereich Medizin, Biologie und Genetik. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Auf immer mehr Feldern spielt Deutschland zwar irgendwo mit – aber meistens nur in der Forschung oder auf Kommerzialisierungssparflamme.
Wo kommen die Trends stattdessen her?
Die globalen Trends werden in den USA und China gesetzt. Hier werden für deutsche Verhältnisse galaktische Summen investiert. So kommen dort immer wieder potentielle Giganten auf den Markt, die Branchen grundlegend verändern oder sogar vernichten, an die wir uns gewöhnt haben.
Sie analysieren bei AtomLeap und als Forscher weltweit Hochtechnologie-Startups. Wie erklären Sie sich Deutschlands Schwäche auf dem Feld?
Wir schaffen es immer noch nicht, aus den großartigen Forschungsprojekten an Unis wie der RWTH Aachen oder Saarbrücken, wo wir viele Innovationen schaffen, Geschäftsmodelle zu machen. Das ist für eine Industrienation wie Deutschland ein gravierendes Problem. Diese Projekte brauchen mehr Unterstützung, um auf den Markt zu kommen.
Wie könnte diese aussehen?
In den USA bekommen Studenten schon früh Unternehmertrainings und die Möglichkeit, an Wagniskapital für eine Idee zu kommen. Sie werden ermuntert, zu gründen – hier hingegen werden sie durch den dichten Zeitplan bei einem Bachelor- und Masterstudium ausgebremst.
Fehlt es in Deutschland an einer echten Startup-Mentalität?
Ja. Deutschland schafft es nicht, seine jungen Menschen für die Wirtschaft zu begeistern. Wenn ich mir aktuelle Studien ansehe, und was sich unsere Generation Y beruflich wünscht, dann kommt vor allem eine Antwort: Sicherheit, am besten in einem Beamtenjob. Wahnsinn! Das ist eine Bankrotterklärung für eine wirtschaftlich so starke und eigentlich innovative Nation wie Deutschland.
Welche Botschaft geben Sie jungen Menschen mit?
Ich kann ja verstehen, dass es nach einem Studium immer noch sehr attraktiv ist, bei einem Großkonzern – oder in einer Amtsstube – anzufangen. Wenn einem ein Automobilhersteller ein Einstiegsgehalt anbietet, das man in einem Startup mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit über mehrere Jahre nicht verdienen wird. Nur das nächste Facebook oder Apple werdet ihr so vermutlich nicht mehr gründen. Seid mutig und probiert aus. So haben alle großen Unternehmer und Unternehmerinnen angefangen.
… und welche Botschaft haben Sie an die Politik?
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wo wollen wir, dass die Unternehmen der Zukunft herkommen? Und wie gelingt es uns, dass sie aus Deutschland kommen? Statt diese Fragen zu beantworten, reagiert man hierzulande lieber mit einer Mischung aus Technologiefeindlichkeit, Nostalgie und Arroganz. Das bringt uns nicht weiter.
Wie weit ist Deutschland denn davon entfernt, das nächste Facebook zu gründen?
Generell beobachten wir in vielen deutschen Unternehmen und auch Startups immer wieder eine Logik, die zu kurz greift. Lieber inkrementelle Veränderungen, als den wirklich großen und risikobehafteten Wurf. Deswegen ist Deutschland vermutlich weit davon entfernt.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Ich habe lange bei einem großen deutschen Autohersteller gearbeitet. Viele Entwickler ticken dort extrem fortschrittlich – aber ihre Ideen passen nicht immer in die aktuelle Linie des Konzerns. Dann wird die Innovation liegengelassen – und wir sehen, wie ein Startup wie Tesla aus den USA die Technik erfolgreich auf den Markt bringt. Es ist kein Zufall, dass alle großen Innovation im Automobilbereich der vergangene zehn Jahre nicht von den großen Marken, sondern von Zulieferern und Startups getrieben wurden.
Was muss anders laufen?
Die Chefetagen müssen sich zu Innovationen bekennen — und zwar langfristig, mutig und mit ordentlich Geld.
Das heißt auch mit Startups arbeiten?
Ja, genau. Sie müssen häufiger mit Startups zusammenarbeiten und von ihnen und mit ihnen lernen. Und sie bitte nicht gleich aufkaufen. Sonst verlieren die Teams in der Bürokratie eines Großunternehmens ihre Agilität. Ein Konzern kann hochskalieren, ein Startup innovativ sein. Das ist die Arbeitsteilung der Zukunft, mit der die deutsche Wirtschaft wieder ganz vorne mitspielen kann.
Dieses Interview erschien in der Huffington Post.
Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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