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Das Internet der Energie
10 April 2017

Das Internet der Energie und seine Pioniere

Die deutsche Bundesregierung hat die Energiewende eingeleitet. Damit muss insbesondere die Energienutzung effizienter werden, was vor allem mithilfe von intelligent vernetzten Energiesystemen (Smart Energy) gelingen soll. Obwohl es auf dem Markt bereits Lösungen und Produkte im Bereich Smart Energy gibt, werden diese noch wenig genutzt. Um die Gründe für die Zurückhaltung der Verbraucher herauszufinden, haben HIIG-Forscher mit bereits aktiven Nutzern, sogenannten Lead Usern, gesprochen. 

Seit die Bundesregierung am 30. Juni 2011 den stufenweisen Austritt aus der Kernenergie beschloss, ebnete sie zugleich den Weg zu nachhaltig erzeugter Energie und intelligent vernetzten Energiesystemen (Smart Energy) in Deutschland. Dieser Wandel impliziert nicht nur einen gesetzlich bestimmten Anteil erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung, sondern auch eine effiziente und intelligente Energienutzung. Doch letzteres erfordert nicht nur Maßnahmen auf politischer Ebene. Sie bedarf auch der intensiven Mithilfe der Verbraucher, deren Begeisterung und Interesse an intelligenter Energie (The Economist, February 25 – March 3, 2017). Auf dem deutschen Markt werden inzwischen zahlreiche Produkte und Module für intelligent gesteuerten Energieverbrauch bereitgestellt. Das Angebot reicht von digitalen Heizungsthermostaten, über intelligente Stromzähler (sogenannte Smart Meter) bis hin zu umfassenden Regelsystemen für das gesamte Zuhause. Allerdings verbreiten sich diese Technologien bei den Nutzern bislang nur langsam. Laut den Ergebnissen einer Studie von Kaspersky (2016) zeigen sich Verbraucher von digitalen Angeboten im Bereich der intelligenten Energie noch nicht überzeugt. So vertrauen beispielsweise nur 37 Prozent der deutschen Nutzer dem Einsatz von Smart Metern.

Lead User – Was wir von aktiven Nutzern lernen können

Ob mangelndes Vertrauen allein für die ausbleibende Verbreitung der Angebote auf dem Markt verantwortlich ist, bleibt jedoch fraglich. Deshalb haben wir mit trendführenden Nutzern – auch Lead User genannt – über die derzeitigen Marktlösungen im Bereich der intelligenten Energie gesprochen. Ihre Bedürfnisse und Anforderungen sind der Zeit und dem potenziellen Massenmarkt voraus (Von Hippel, 1986). Neuerscheinungen auf dem Markt werden daher primär von ihnen getestet. Die Optimierung der Benutzerfreundlichkeit stets im Blick, arbeiten sie proaktiv, treiben die Verbreitung von intelligenter Energie voran und ermöglichen damit auch eine Steigerung der Akzeptanz im Hinblick auf skeptische Verbraucher. Darüber hinaus entwickeln sie sich durch ihre langfristige und intensive Beschäftigung mit der Thematik oft zu Experten auf ihrem Gebiet (Hienerth, Lettl, & Keinz, 2014).

Die Auseinandersetzung mit Smart Energy beginnt bei Lead Usern meist mit einem spezifischen Problem im lokalen Kontext, beispielsweise durch einen drastisch gestiegenen Stromverbrauch nach einem Umzug in eine andere Wohnung bzw. Haus oder dem Missverhältnis zwischen den Heizungseinstellungen und dem tatsächlichen Bedarf. Auf der Suche nach einer passenden Lösung werden Lead User bei am Markt angebotenen Lösungen oder Produkten jedoch häufig nicht fündig, da diese mitunter nicht optimal auf den individuellen Gebrauch zugeschnitten sind oder der jeweilige Funktionsumfang zu wünschen übrig lässt. Auch die oft hohen Kosten der Marktlösungen schrecken Nutzer ab und veranlassen sie dazu, sich anderweitig umzusehen. Bei den Befragungen haben uns Lead User vermehrt auf die Vorteile von sogenannten offenen Lösungen (Open Source Software bzw. Hardware) hingewiesen, welche unter aktiven Verbrauchern mit hohem technischen Verständnis und Interesse besonders gerne genutzt werden. Im Gegensatz zu den oben genannten geschlossenen Marktlösungen lassen Lösungen aus dem Open-Source-Bereich ein größeres Maß an individueller Anpassung zu, verfügen über umfangreiche Funktionen und sind außerdem oft sehr kostengünstig in der Anschaffung und Implementierung.

Das Internet als Plattform für offene Lösungen

Bei der Suche nach offenen Lösungen sind vor allem Internetforen wie Haustechnikdialog oder das Energiesparkonto häufige Anlaufstellen. Einerseits dienen die Foren als wichtige Informationsquelle, andererseits bieten sie eine Plattform für die Weitergabe eigener Erfahrungen. So tauschen sich auch die von uns befragten Lead User regelmäßig untereinander aus, beantworten Fragen anderer Nutzer und teilen Lösungsvorschläge, Grafiken und Statistiken über die Entwicklung ihres Energieverbrauches. Im englischsprachigen Raum zählt beispielsweise der Open Energy Monitor (OEM) für die Anwendung intelligenter Energie als wichtigste Anlaufstelle. Dort stehen Fehlerbehebungen bei Soft- und Hardware im Mittelpunkt, sowie auch Modifikationen und Mikro-Innovationen bereits bestehender Lösungen (Hyysalo, 2009). Ein weiteres Plus des OEM: Im Website-Shop werden von der Community entwickelte Produkte und Einsteiger-Kits kostenneutral angeboten, zugänglich für jedermann.

Open Source vs. Marktlösungen: Wünschenswert wäre eine Annäherung

Obwohl aktive Nutzer aufzeigen, dass offene Lösungen gegenüber geschlossenen Marktlösungen klare Vorteile vorweisen können, so sind sie bisher immer noch einer recht kleinen Gruppe Interessierter vorbehalten. Gründe dafür sind sehr hohe Anforderungen an das technische Know-How des Nutzers bei der Installation und dem individuellen Optimieren für die eigenen Anforderungen, welches sich Hobby-Innovatoren und Lead User über Jahre hinweg aneignen. Letztere selbst sehen an diesem Punkt ebenfalls die große Herausforderung für die Verbreitung von Smart Energy – offene Lösungen so anwenderfreundlich zu gestalten, dass sie auch von Verbrauchern ohne technisches Wissen genutzt werden können. Allerdings gäbe es auch seitens der Anbieter von kommerziellen Fertiglösungen noch Handlungsbedarf, um mehr Nutzer ins Boot zu holen und die breite Verwendung intelligenter Energie voranzutreiben.

Auf lange Sicht wäre eine Annäherung zwischen offenen und geschlossenen Lösungen wünschenswert. So könnten Unternehmen von Lead Usern lernen, um ihre Produkte den Bedürfnissen der Verbraucher besser anzupassen. Aber auch im Bereich der Unterstützer von offenen Lösungen kann noch einiges getan werden. Eine verbraucherfreundliche Gestaltung der Oberflächen könnte auch vielen Nutzern ohne technisches Fachwissen den Zugang erheblich erleichtern.


Referenzen

Hienerth, C., Lettl, C. and Keinz, P. (2014). Synergies among Producer Firms, Lead Users, and User Communities: The Case of the LEGO Producer-User Ecosystem. Journal of Product Innovation Management, 31, 848-866.

Hyysalo, S. (2009). User innovation and everyday practices: microinnovation in sports industry development. R&D Management, 39(3), 247-258.

Von Hippel, E. (1986). Lead users: a source of novel product concepts. Management science, 32(7), 791-805.

Dieser Beitrag wurde von Daniela Lindner und Matti Große verfasst und ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.

 

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Matti Große

Ehem. Assoziierter Forscher: Innovation & Entrepreneurship

Daniela Lindner

Ehem. Studentische Mitarbeiterin: Internetbasierte Innovation

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