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04 Oktober 2016

Digitale Transformation – bitte gerne. Aber wie?

Das Thema Digitalisierung ist nicht erst seit heute in aller Munde. Politik und Wirtschaft sind sich einig, dass die fortschreitende Digitalisierung ein neues Zeitalter einleitet. Ein Zeitalter der Vernetzung, Autonomisierung, Flexibilität und vor allem Disruption. Ein Zeitalter in dem Spotify mit einem neuen kundenzentrierten Streaming-Angebot die etablierte Musikbranche revolutionieren kann und nachhaltig die Art und Weise verändert, wie wir Musik konsumieren und bezahlen. Oder ein Unternehmen wie AirBnB den Hotelmarkt nachhaltig revolutioniert, ohne überhaupt ein einziges Bett zu besitzen.

Digitalisierung meint die Transformation von Geschäftsmodellen und die Identifizierung neuer Wachstums- und Umsatzmöglichkeiten durch digitale Technologien. Politik und Wirtschaft haben gleichermaßen die Relevanz dieser Entwicklung erkannt. Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur sagt: “In noch nie dagewesener Geschwindigkeit entwickelt sich mit der Digitalisierung die größte Revolution der Menschheit. Sie bedroht viele klassische Geschäftsmodelle. Sie kann zum Scheideweg etablierter Volkswirtschaften werden.” Es stellt sich zum einen die Frage, wo deutsche Unternehmen an diesem Scheideweg stehen und zum anderen, was Digitalisierung im Einzelfall bedeutet.

Die Chancen der Digitalisierung sind erkannt

80% der deutschen Unternehmen haben die Chancen der Digitalisierung erkannt und erste Digitalisierungsprojekte durchgeführt. 41% sehen bereits ein Umsatzwachstum durch Digitalisierung. Für die meisten Unternehmer überwiegen die Chancen der Digitalisierung die Risiken – 68% sehen Chancen für neue digitale Geschäftsmodelle, während 56% eher den steigenden Wettbewerb fürchten. Dennoch fehlt es häufig an einer umfassenden Digitalisierungsstrategie. Die größten Herausforderungen beim Thema Digitalisierung sind die Weiter- und Ausbildung der Mitarbeiter (85%), rechtliche Rahmenbedingungen (84%), ein hoher Investitionsbedarf (83%) und Sicherheits- und Datenschutzrisiken (72%).

Digitalisierung ist nicht gleich Digitalisierung

Um das erkannte Potenzial der Digitalisierung im Einzelfall sinnvoll zu nutzen, bedarf es einer genaueren Konzeptualisierung des Begriffs Digitalisierung im Bezug auf Innovation. Denn Digitalisierung ist nicht gleich Digitalisierung und muss vor allem nicht zwangsläufig die Disruption einer ganzen Branche bedeuten.

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Die unterschiedlichen Phasen der Digitalisierung können anhand der Schnittstellen eines Unternehmens nach Innen oder Außen konzeptionalisiert werden (Abbildung 1). Die Ausgangsbasis für jede Art der Digitalisierung ist ein IT-basiertes Geschäft. Dies meint die Unterstützung bestehender Geschäftsprozesse durch digitale Technologien, beispielsweise durch einen Webshop oder ein digitales System zur internen Kommunikation.

Legt man den Fokus auf die Schnittstellen des Unternehmens nach Außen, bedingen Internet-basierte Services häufig kundenorientierte Produktinnovationen. Durch die tiefgehende Integration digitaler Technologien in alle kundenseitigen Schnittstellen, ergeben sich eine höhere Transparenz und eine direktere Kundeninteraktion und -integration. Richtet man den Blick nach Innen, meint Industrie 4.0 die weitreichende Digitalisierung von Wertschöpfungsketten und damit Prozessinnovationen. Durch digitale Technologien können nicht nur interne, sondern auch intraorganisationale Prozesse flexibler, dezentraler und effizienter gesteuert werden. So können selbst komplexe Wertschöpfungsketten mit zahlreichen Partnern digital optimiert werden. Ein voll digitalisiertes Geschäftsmodell kombiniert ein völlig IT-basiertes Geschäft mit der Digitalisierung nach Außen und Innen. So entstehen innovative, häufig disruptive Geschäftsmodelle, die sich durch eine signifikante Erweiterung der Kundenbasis, eine hohe Dienstleistungsorientierung, schnelle Messbarkeit und den Einsatz digitaler Technologien über verschiedenen Wertschöpfungsstufen hinweg auszeichnen (Sauer, Dopfer, Schmeiss & Gassmann, forthcoming).

Dimensionen der Digitalisierung

Ist die Stoßrichtung der Digitalisierung erfolgreich erkannt, stellt sich die Frage, welche Parameter in einer Digitalisierungsstrategie beachtet werden müssen. Abbildung 4 zeigt die vier relevanten Dimensionen der Digitalisierung.

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Zentral für jedes Geschäftsmodell ist die Frage Wer? die Zielkunden des Unternehmens sind. Was? definiert, welches Wertversprechen dem Kunden gegeben wird. Nachfolgend zeigt Wie?, welcheinter- und intraorganisationalen Wertschöpfungsprozesse notwendig sind, um dieses Wertversprechen herzustellen. Die Frage nach dem Wert? adressiert abschließend, wie das angebotene Wertversprechen in Umsätze übertragen wird. Das heißt, wie und wie viel ein Kunde für die angebotene Leistung bezahlt. Ein Voll Digitales Geschäftsmodell zeichnet aus, dass sich mindestens zwei der vier Dimensionen nachhaltig verändern. Erst dann spricht man von einer Geschäftsmodellinnovation (Gassmann, Frankenberger & Csik, 2014). Dennoch muss nicht jede Digitalisierungsstrategie ein neues Geschäftsmodell zum Ziel haben. Häufig kann der erste Schritt zur Digitalisierung auf eine einzelne Dimension fokussiert sein.

Beispiele erfolgreicher Digitalisierung

Ein erfolgreiches IT-basiertes Geschäft ist schrankwerk.de, eine Online-Plattform für maßgefertigte Möbel. Hinter schrankwerk.de steht die seit 1927 familiengeführte Tischlerei Dickmäncken aus Rheine. Seit knapp 100 Jahren verkauft sie maßgefertigte Regale und Schränke. Durch die Einführung von schrankwerk.de bilden sie ihr traditionell gewachsenes Geschäft digital ab. So konnte schrankwerk.de über digitale Marketing- und Vertriebskanäle den Kundenstamm nachhaltig erweitern und verkauft heute maßgefertigte Möbel in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weitere Stoßrichtungen für ein IT-basiertes Geschäft sind beispielsweise der Einsatz digitaler Technologien in der Beschaffung zur bedarfsorientierten Steuerung von Einkaufsprozessen oder in der internen Kommunikation zur virtuellen Vernetzung von Teams über Zeit- und Länderzonen hinweg.

Die Würth AG aus Künzelsau im Schwarzwald ist Weltmarktführer im Handel mit Montage- und Befestigungsmaterial und hat durch Internet-basierte Services sämtliche Kundenschnittstellen erfolgreich digital erweitert.  Mit der Einführung der 1Plus App wurde 2016 die gesamte Vertiebs- und Marketingkette digitalisiert. Der Außendienst ist nun mit mobilen Endgeräten mit aktuellsten Produktlisten und Lagerbeständen ausgestattet. So wird die Interaktion von Kunden und Vertrieb digital beschleunigt und ein direkter Kanal von Außen- zu Innendienst aufgebaut. Die App erleichtert weitere kundenzentrierte Dienstleistungen, wie einen Empfehlungsdienst, eine lückenlose Kundenhistorie und individuelle Produktkonfigurationen. Zudem können Vertriebs- und Marketingkennzahlen stets aktuell erfasst und ausgewertet werden.

Ein bekanntes Beispiel für Industrie 4.0 ist die AXOOM GmbH. AXOOM ist ein Tochterunternehmen der Trumf AG, einem weltweit führenden Unternehmen für Werkzeugmaschinen und Lasertechnik. Mit AXOOM haben sie eine Open Source Software Plattform entwickelt, auf der führende Unternehmen eigene Anwendungen entwickeln können. Diese sind auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette inter- und intraorganisational vernetzbar. Die Softwarelösung ermöglicht beispielsweise Auftragsbearbeitung im Produktionsbetrieb, den Datentransport sowie die Speicherung und Analyse von Daten einzelner Produktionsschritte.

Bei einem voll digitalisierten Geschäftsmodell werden äußere und innere Schnittstellen gleichermaßen digital abgebildet. Der Online-Lieferdienst Foodorahat dies erfolgreich umgesetzt und so den Markt der Lieferdienste revolutioniert. Mit seiner Online-Plattform bietet der Lieferdienst Kunden die Möglichkeit, über wenige Klicks direkt bei ihrem Lieblingsrestaurant, die vorher keine Lieferungen angeboten haben, zu bestellen. Foodora-eigene Fahrer holen das Gericht zeitnah ab und liefern es nach Hause. Für die Restaurants entsteht so eine neue Kundengruppe, die vorab nicht bedient werden konnte. Gleichzeitig entsteht auch ein neues Ertragsmodell, da der Service für den Kunden kostenlos ist, bezahlen muss er nur den Preis für das gelieferte Gericht. Foodora berechnet stattdessen den Restaurants eine Provision pro Lieferung.


Referenzen

  • Sauer, R., Dopfer, M., Schmeiss, J., Gassmann, O. (2016). Geschäftsmodellinnovation: Gral der Digitalisierung, In: Digitale Transformation im Unternehmen gestalten, Gassmann, O. & Sutter, P. (Eds.), Hanser: München. forthcoming
  • Gassmann, O., Frankenberger, K., & Csik, M. (2014). The business model navigator: 55 models that will revolutionise your business. Pearson UK.

 

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Jessica Schmeiss, Dr.

Ehem. Assoziierte Forscherin: Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft

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