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22 Mai 2017

Open Innovation als Chance für neue Inkubations- und Kollaborationsmodelle

Durch Open Innovation entstehen neue Möglichkeiten der Geschäftsmodellinnovation, die weit über die Inkubation von Startups hinaus reichenDoch warum ist diese Offenheit eigentlich nötig für Konzerne? Welche Chancen entstehen daraus und wie können sie ausgestaltet werden? Diese Fragen werden im nachfolgenden Blogbeitrag von Martina Dopfer aufgegriffen. Die HIIG-Forscherin befasst sich unter anderem mit Open Source Hardware Innovation. Relevante Forschungsfragen in diesem Kontext sind: Wie verändert Open Innovation die Wertschöpfungslogik der Automobilindustrie? Und wie wirkt sich Open Innovation auf das autonome Fahren in der Zukunft aus?

Konzerne haben vermehrt Incubation-Spaces in Berlin gegründet

In den vergangenen Jahren hat die Startup-Metropole Berlin unzählige Co-Working Spaces, Acceleratoren und Inkubatoren aus dem Boden schiessen sehen. Konzerne wie die Deutsche Telekom AG, Axel Springer oder Lufthansa haben medienwirksam verkündet, wie sie ihre Innovationsprozesse mit Startups treiben wollen. Dadurch wollten diese Konzerne Inspirationen für Produkt-, Prozess- und Geschäftsmodellinnovationen gewinnen, und bestehende Marktpositionen halten sowie neue Märkte erschliessen. Denn egal ob Medien- oder Luftfahrtkonzern, die Veränderung wartet nicht. Das Internet der Dinge ist dabei Haushalte, Autos und das Gesundheitswesen zu erobern. Die vernetzte Stadt ist keine Zukunftsutopie mehr, sondern steht direkt vor der Tür. Die digitale Transformation ist ein Teil unseres Denkens geworden und zwingt Konzerne zum Handeln — und zwar zum Handeln und zur Innovation weit über Inkubation hinaus.

Inkubation als Weg zur Integration von Innovation

Sicher ist es überaus sinnvoll in innovative und disruptive Startups frühzeitig mit Early Stage Investments einzusteigen. Auf diese Weise erhält der Konzern Einblicke in Trends innerhalb des direkten Marktes wie auch in angrenzende und mögliche, zukünftige Märkte. Zusätzlich kann er Teil der Entwicklung eines potentiell disruptiven Geschäftsmodells werden. Darüber hinaus kann der Konzern vom Startup agiles Handeln auf Basis knapper Ressourcen lernen. Buzz-Word Methoden wie „Lean Startup” oder „Rapid Prototyping“ – also schnelle Iterationen zur Weiterentwickelung von Produktprototypen auf Basis von unmittelbarem (Kunden-)Feedback, oder „Holocracy“ – bewusst niedrig gehaltene Hierarchieebenen zur schnelleren Abstimmung innerhalb der Organisation, werden durch Startups lebendig, erlebbar und umsetzbar.

Wie adaptiert der Konzern eigentlich Agilität und Flexibilität?

Wie ermöglicht ein großes, etabliertes Unternehmen, Wissen aus der Startup-Welt – also von außen – in die Organisation herein zu lassen? Wie schafft es ein Unternehmen mit 50.000, 100.000 oder 250.000 Mitarbeitern innovatives Verhalten so zu etablieren, dass die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und entsprechender Prozess- und Produktinnovationen wie auch die Erschliessung neuer Märkte selbstverständlich wird? Diese Fragen sind nicht neu. Spätestens seit Chesbrough (2006) das Potential von Open Innovation zum zentralen Begriff für die Innovationspraxis von Unternehmen gemacht hat, ist klar, Innovation kann heute nicht mehr nur aus dem zentralen Unternehmen heraus getrieben werden. Denn während das unternehmensinterne R&D-Team sich noch den zentralen und benachbarten Markt anschaut, um Innovationspotentiale zu identifizieren, betreten bereits unzählige neue Teilnehmer wie Startups den Markt und krempeln diesen komplett um. Uber beispielsweise hat den Taximarkt innerhalb kürzester Zeit mit seinem shared car-Konzept (geteiltes Auto) komplett verändert und so auf das Bedürfnis des digitalen Kunden, der stetig flexibler reisen möchte, reagiert. Kurzum, laut Chesbrough (2006; 2013) muss das innovative Unternehmen von heute seine Grenzen neu überdenken, sich für Ideen von außen öffnen und Infrastrukturen schaffen, um diese Ideen in Produkt-, Prozess- und Geschäftsmodellinnovationen einfliessen zu lassen.

Open Innovation am Beispiel eines selbstfahrenden Busses

Local Motors liefert anhand des selbstfahrenden Busses Olli ein anschauliches Beispiel wie ein physisches Objekt durch die Kontribution vieler sog. Co-Creators schnell und flexibel auf den Markt gebracht werden kann. Mit Hilfe offener Schnittstellen, die eine kollaborative Entwicklung des Codes erlaubten, hat es Local Motors in unter drei Monaten geschafft ein komplett neues Fahrzeug auf die Straße zu bringen. Nun ist die Idee des Busses selbst nicht neu. Doch die Entwicklung eines selbstfahrenden Busses durch eine global interagierende Crowd, die kollaborativ daran arbeitet ein physisches Objekt mit IT-basierter (kognitiver) Softwareintelligenz auszustatten, das ist neu. Und es zeigt auch: Eine Öffnung geschlossener Innovationssysteme ist nötig, um neues Wissen in den Innovationsprozess zu integrieren und schnell ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Das Beispiel von Local Motors könnte zudem aufzeigen, dass neue Formen der Wertschöpfung in einer zunehmend vernetzten Welt eigentlich erst durch Kollaboration möglich werden.

Kollaboration über Inkubation hinaus ist offen

Diese Form der Kollaboration reicht weit über die Schaffung von Incubation-Spaces hinaus. Im Accelerator oder Inkubator wird tendenziell Wissen innerhalb des Startups für das Startup selbst geschaffen, um möglicherweise ab einem gewissen Punkt in den Konzern transferiert zu werden. In einem offenen Innovationsprozess hingegen wird Wissen von diversen Co-Creators gleichzeitig und ohne äußere Grenzen in den Innovationsprozess eingebracht. Es entsteht kreatives Momentum. Direktes Feedback in egalitären Strukturen ist Teil des Prozesses, um möglichst schnell Iterieren und weitere Kontributionen integrieren zu können. Holocracy und Rapid Prototyping live sozusagen. Gleichzeitig ist jeder Co-Creator Teil der Innovation und des Prozesses, was ein ganz neues Gefühl von „Ownership“ generiert.

Was lernen wir daraus?

Unsere Welt ist komplex. — Ja!
Die digitale Transformation ist überall. — Richtig!
Der Konzern ist kein Startup, will aber immer agiler und unternehmerischer werden. — Gut so!
Inkubationsmodelle sind ein guter Start Innovation zu treiben. — Ja, und???

… und genau deswegen macht es Sinn über offene Formen der Kollaboration nachzudenken. Natürlich ist es gerade für große Unternehmen wie Konzerne schwer sich zu öffnen. Doch der Start von Incubation-Spaces zeigt, kleinere Öffnungen sind möglich und der Bedarf Ideen für die Innovation zu erhalten, besteht. Der erste Schritt ist also getan. In einem nächsten Schritt könnte man nun neue Kooperations- und Kollaborationsformen angehen. Denn wie wir am Beispiel von Local Motors gesehen haben: Innovation darf sich öffnen. Dafür ist zunächst nicht mehr nötig als sich auf Augenhöhe zu begegnen und Raum für sämtliche Ideen, wie verrückt sie auch sein mögen, einzuräumen. Durch den Austausch gewinnt das zentrale Unternehmen mehr als es verliert (i.e., Wissen, Transfer, neue Erkenntnisse, Ressourcen, Fähigkeiten zur Innovation). Gerade in einer Welt der zunehmenden Vernetzung, in einer Welt in der die digitale Transformation zum Schlagwort für jedermann geworden ist, darf auch der Konzern integrativ seine Wertschöpfungskette öffnen und für sich neue Formen der Innovationskultur erschliessen.

Das Verständnis von wir im Konzern wird sich verändern. Hierarchien werden aufbrechen und Selbstverständnisse von Rollen werden in Frage gestellt werden. Vermutlich werden so ganz neue Selbstwahrnehmungen entstehen und der Begriff Begegnung auf Augenhöhe wird eine neuer. Doch möglicherweise ergeben sich so Wege zur Innovation von Produkten und Geschäftsmodellen, die es dem Konzern ermöglichen, Teil von Zukunftsszenarien zu werden, die er selbst so nie erahnt hätte.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Martina Dopfer

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