Unsere vernetzte Welt verstehen
Webserien suchen ihren Platz in der Medienwelt
Was ist das Besondere an Webserien? Und welche Relevanz haben diese Formate? Dieser Artikel gibt einen Überblick über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Finanzierung und Distribution von Webserien und wirft einen Blick in die Zukunft.
Nicht erst seit der Einführung von funk, dem Jugendangebot der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ist das Thema Webserien von besonderem Interesse. Bereits seit zehn Jahren werden serielle Formate für Online-Plattformen auf der ganzen Welt produziert und langsam entwickelt sich eine Branche rund um diese Formate mit eigenen Charakteristika, die in diesem Artikel dargestellt werden.
Ausgehend von der Serie lonelygirl15 aus dem Jahr 2006, die auf YouTube veröffentlicht wurde und für eine große Aufmerksamkeit sorgte, entstand folgende Definition von Webserien: “Webserien sind audiovisuelle Formen im Internet, die sich durch Serialität, Fiktionalität und Narrativität auszeichnen und die für das Web als Erstveröffentlichung produziert worden sind” (Kuhn und Henne, 2013) von dem Hamburger Medienwissenschaftler Markus Kuhn. Kuhn liefert auch einen Überblick über deutsche Webserien auf seinem Blog. Einen Überblick über internationale Webserien gibt Joël Bassaget in seinem Online Magazin (französisch). Distribuiert werden die Formate auf unterschiedlichen Plattformen, werbefinanziert (YouTube u.a.), als Abonnement (Hulu, HBO, u.a.), als Einzelabruf (z.B. Vimeo on demand) zum Verleih oder Kauf oder auf privaten Websites der Filmemacher. Mittlerweile hat sich rund um diese Formate eine eigene Branche zu entwickeln begonnen, die Eigenschaften aus der Welt der sozialen Medien und der etablierten Filmindustrie miteinander verbindet. Eines der wichtigsten Elemente, die für den Erfolg von z.B. YouTube Formaten ausschlaggebend sind, ist der Aufbau und die Pflege einer Community im Netz. Auch für Webserien hat die Community im Internet einen großen Stellenwert. Beispielhaft kann hier die Serie Wishlist genannt werden, die reichweitenstarke Influencer integriert, um so ebenfalls ein größeres Publikum anzusprechen. Im Unterschied zu den meisten Inhalten auf der Plattform aber, finanzieren sich die meisten Webserien nicht über Marketingbudgets der werbungtreibenden Industrie. Ausnahmen stellen hier Inhalte dar, die als Branded Content mit der direkten Unterstützung von Unternehmen produziert werden. Prominentestes Beispiel in Deutschland ist die Serie Der Lack ist ab von Kai Wiesinger, eine von Opel mitfinanzierte Serie über den Alltag von typischen Mitvierzigern. Aktuell stellt die Finanzierung der Produktionen noch eine der größten Schwierigkeiten für die Produktion dieser Formate dar. Lange gab es neben der Werbefinanzierung kaum Alternativen, da die wichtigsten Säulen der etablierten Filmfinanzierung: öffentliche Förderinstitutionen und Sender, keine Webserien finanzierten. Mittlerweile sind aber eine ganze Reihe an Finanzierungsmöglichkeiten entstanden. Neben den privaten Sendern, die über Multi-Channel-Networks (Studio 71, Divimove, UFA Lab) immer stärker auf aufwendiger produzierte Inhalte setzen, haben die öffentlich-rechtlichen Sender mit dem Angebot für junge Zielgruppen funk seit Kurzem eine Möglichkeit geschaffen, Webserien zu produzieren. Auch öffentliche Förderungen vom Medienboard Berlin-Brandenburg (WIGO zusammen mit dem RBB) und der Filmstiftung NRW (WebVideo Stipendium) setzen verstärkt auf die Finanzierung von Online-Formaten. Als wichtiges Element für die Vermarktung von Filmen spielen Festivals eine wichtige Rolle. Daneben existieren verschiedene Wettbewerbe und andere Veranstaltung, die die Produktion von Webserien unterstützen und Filmemacher vernetzen: YourTurn Wettbewerb, Die Seriale, das Portal UnsereSerien, der Webvideopreis, das Seriencamp in München oder das Webfest Berlin. Auch für Webserien sind weltweit eine ganze Reihe an neuen Festivals oder Sektionen etablierter Festivals entstanden, bei denen Webserien eingereicht werden können. Auf den Plattformen withoutabox.com und filmfreeway.com, über die Filme bei Festivals eingereicht werden können, finden sich insgesamt 618 (withoutabox) bzw. 1585 (filmfreeway) Webserien-Festivals. Darüber hinaus entstehen immer mehr Plattformen, die Webserien Formate lizenzieren und vermarkten. Hierbei nimmt Deutschland keine Vorreiterstellung ein, in anderen Ländern wie Frankreich oder den USA ist der Markt bereits wesentlich weiter entwickelt. Plattformen wie Hulu spielen bereits eine wichtige Rolle bei der Distribution von kurzen Formaten, produzieren eigene Inhalte und sind Teil etablierter Studios und Konzerne (Hulu gehört zu NBC, Fox, Disney-ABC und Turner Broadcasting). Auch Vimeo investiert in die Produktion eigener Inhalte, beispielsweise der Serie High Maintenance.
Dennoch ist es noch ein weiter Weg, bis Webserien in der etablierten Filmbranche einen festen Platz gefunden haben werden. Im Zuge der steigenden Nutzung von Filmen und Videos auf Mobilgeräten haben kurze Formate ein großes Potential von einer breiten Masse an Zuschauern angenommen zu werden. Aktuell sind deutliche Fortschritte in Richtung einer Professionalisierung zu erkennen. Dennoch besteht Bedarf an Finanzierungsmöglichkeiten, um Inhalte in einer hohen Qualität zu produzieren und so den Ansprüchen des Publikums gerecht zu werden.
Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.
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