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Mit Data Science gegen Putin: Welche Heizkosten zahlen wir in seine Kriegskasse?
Putins Ukraine-Krieg hat die Gaspreise explodieren lassen. Aufgrund Deutschlands Abhängigkeit von russischen Gaslieferung zahlen wir alle deutlich mehr fürs Heizen und helfen so unfreiwillig mit, den russischen Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Basierend auf einer Analyse von Echtzeitdaten zur Gaspreisentwicklung stellen wir eine Simulationsrechnung vor, die den finanziellen Beitrag einzelner Haushalte schätzt, der bei aktuellen Preisen täglich an russische Gaslieferanten gezahlt wird. Wir zeigen mit Data Science die Möglichkeiten auf, wie jede*r Energie einsparen und so dazu beitragen kann, die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren.
Die Menschen in Deutschland und Europa sind schockiert angesichts der Bilder schwerster Zerstörung und menschlichen Leids in Putins Ukraine-Krieg. Schwere Sanktionen des Westens haben bereits erste Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. Allerdings ist eine der wichtigsten Devisenquellen Russlands von den Sanktionen nicht betroffen: die Energie- und Rohstoffexporte. Deshalb hat in den letzten Tagen die öffentliche Debatte um ein möglichen Verzicht auf russische Gasimporte zugenommen [1].
Ein solcher Schritt wird angesichts der hohen Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gasimporten wahrscheinlich zu weiter steigenden Energiepreisen führen. Diese für Haushalte und Wirtschaft hohen und kurzfristigen Kosten bestehen so lange, bis Alternativen zugänglich gemacht werden.
Doch wie hoch ist der Beitrag, den jede und jeder von uns bei den derzeitigen Gaspreisen durch Heizen und Warmwasserverbrauch an staatliche russische Gaslieferanten und damit in Putins Kriegskasse spült? Und was können wir tun, um diesen Betrag zu reduzieren?
Data Science für Einsparpotenziale
Basierend auf Online-Daten zur Gaspreisentwicklung stellen wir eine annahmengestützte Simulationsrechnung vor, die den täglichen finanziellen Beitrag einzelner Haushalte an russische Gaslieferanten abschätzt und Einsparpotenziale aufzeigt.
Die hier vorgestellte Analyse benutzt datenwissenschaftliche Methoden. Data Science, insbesondere das strukturierte Erfassen und Analysieren von alternativen Datenquellen (vor allem Online-Daten wie die hier benutzten Daten zur Gaspreisentwicklung), bietet im Vergleich zur Analyse traditioneller statistischer Daten die Möglichkeit, eine Vielzahl sozialer und ökonomischer Phänomene empirisch mit hoher zeitlicher Auflösung und in Echtzeit zu beschreiben. Damit können Data Science Methoden in Zeiten sich schnell verändernder Rahmenbedingungen evidenzbasierte Erkenntnisse zu gesellschaftlich relevanten Themen liefern.
Seit Mitte Februar hat sich der Spotmarktpreis für Gaslieferung in etwa verdoppelt
Fakt ist, dass seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Gaspreise durch die Decke gehen. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der THE (Trading Hub Europe) Spotmarktpreise für Gaslieferung in Deutschland vom 18. Januar bis zum 3. März 2022.
Während der THE Spotmarktpreis pro Megawattstunde (MWh) in den Wochen vor Kriegsbeginn bei durchschnittlich 80 € lag, liegt der aktuelle Preis vom 3. März bei 160 € pro MWh [2]. Während also jede und jeder von uns schon kurz vor Kriegsbeginn aufgrund der hohen Gaspreise durchs Heizen einen erheblichen Beitrag zu Putins Finanzen geleistet hat, spült nun jeder Tag Heizen doppelt so viel in die russische Kriegskasse. Die THE Forwardpreise für den kommenden Monate und Quartale zeigen ein ähnlich exponiertes Preisniveau.
Wieviel Geld zahlen die deutschen Haushalte insgesamt für russisches Gas?
Bei den aktuellen sehr hohen Kosten für Erdgas ergeben sich pro Tag signifikante Beträge, die alle deutschen Haushalte mit Gasheizung für russisches Gas aufbringen müssen.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die täglichen Gesamtzahlungen aller deutschen Haushalte für russisches Gas. Fast die Hälfte (48%) der 42,5 Millionen deutschen Wohnungen wird mit Gas beheizt. Eine Wohnung mit durchschnittlicher Größe (92 m²) braucht in etwa 72 kWh Energie aus Gas für einen durchschnittlichen Heiztag. Daraus ergibt sich für einen durchschnittlichen Heiztag ein täglicher Gesamtverbrauch von in etwa 1,47 Terawattstunden (TWh).
Da ungefähr die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases aus Russland kommt, ergeben sich bei aktuellen Marktpreisen Zahlungen von 117 Millionen € für diesen Verbrauch. Das heißt deutsche Haushalte zahlen für einen durchschnittlichen Heiztag mehr als einhundert Millionen Euro an Russische Gaslieferanten und helfen damit Putins Krieg in der Ukraine zu finanzieren.
Was bedeuten diese Zahlen für uns? Tabelle 2 bricht die Gesamtzahlen runter auf Wohnungen unterschiedlicher Größe. Ein Durchschnittshaushalt braucht 72 kWh Energie pro durchschnittlichem Heiztag. Bei den aktuellen Marktpreisen für Gas ergeben sich daraus 5,72 €, die jeder Haushalt mit Gasheizung im Schnitt täglich zu Putins Kriegskasse beiträgt.
Jeder Haushalt zahlt also fast sechs Euro pro durchschnittlichem Heiztag an russische Gaslieferanten. Jeder mit einer gasbefeuerten Heizung trägt durch den Heizkonsum dazu bei, Russlands Krieg zu finanzieren.
Was jede*r Einzelne*r tun kann
Was als tun, um diese unfreiwillige Subvention zu reduzieren? Bis großflächige Alternativen zu russischen Gasimporten gefunden sind, kann Konsumreduktion und -verzicht in Haushalten ein wirksames Mittel sein, die Ausgaben für russisches Gas zu verringern.
Wie Tabelle 2 zeigt, führt verminderter Gaskonsum durch ein Absenken der durchschnittlichen Raumtemperatur um 2°C im Mittel zu russischen Mindereinnahmen von 0,69 € pro durchschnittlichem Heiztag und Haushalt. Wenn alle 20,5 Millionen deutschen Haushalte mit Gasheizung die Raumtemperatur entsprechend senken, führt das zu mehr als 14 Millionen Euro Mindereinnahmen für russische Gaslieferungen pro durchschnittlichem Heiztag.
Über die verbleibende Dauer der Heizperiode bis Ende März könnten sich so Einsparungen von mehr als 380 Millionen Euro ergeben, die dem russischen Staat und seiner Kriegsmaschinerie durch Konsumreduktion deutscher Privathaushalte nicht zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus können langfristig orientierte klimafreundliche Maßnahmen wie energetische Sanierung helfen, den Gasverbrauch dauerhaft zu reduzieren.
Das heißt, jede*r von uns kann etwas tun. Zwar können wir das Leid der Menschen in der Ukraine von Deutschland aus nicht direkt lindern, aber neben der humanitären Hilfe und den Spenden können wir durch individuelle Einsparungen dazu beitragen, Putin nicht noch für sein Kriegstreiben durch höhere Zahlungen für Gaslieferungen zu belohnen.
Zusammen können wir so durch bewussten Umgang mit Heizenergie und Konsumreduktion helfen, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu reduzieren. Zwei Grad weniger Raumtemperatur im Wohnzimmer lassen sich leicht durch einen Pullover oder eine Wolldecke ertragen, leisten aber bereits einen substanziellen Beitrag.
Wer noch mehr tun möchte und abgehärtet ist, kann einen Schritt weiter gehen, um den eigenen Gasverbrauch zu reduzieren: kalt Duschen.Ca. 550 kWh Energie im Jahr werden pro Person für das Erwärmen der täglichen 40 Liter Wasser mit Gas verbraucht, die im Schnitt für das Duschen benötigt werden [7]. Pro Duschgang ergibt sich dadurch ein Verbrauch von 1,5 kWh Energie oder 0,12 € an russische Gaslieferanten, die man durch kalt Duschen vermeiden kann.
Also, Zähne zusammenbeißen und ab unter die kalte Dusche. Der positive Nebeneffekt? Kalt Duschen soll fit, glücklich und schön machen [8]. Und gut für’s Klima ist es auch.
Über die Autoren
Dr. Fabian Braesemann ist Research Fellow & Data Scientist an der Saïd Business School der Universität Oxford und Research Associate am Oxford Internet Institute und am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft Berlin. Zudem ist er Gründer der Datenwissenschaftlichen Gesellschaft Berlin, ein Unternehmen, das Data Science Methoden anwendet um Datengrundlagen zu schaffen für das empirische Verständnis und Management sozialer und ökonomischer Probleme.
Max Schuler ist Global Category Manager im Bereich Power & Natural Gas bei HeidelbergCement AG. Er hat mehrjährige Erfahrung im Bereich der Energiebeschaffung und Energielösungen für multinationale Konzerne.
Quellenangaben
[1] Tagesschau.de 3.3.2022, Interview mit Friedich Merz “Wir stehen an Grenze dessen, was militärisch möglich ist”, https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-997211.html (Abgerufen: 4.3.2022)
[2] Powernext: Futures market data https://www.powernext.com/futures-market-data (Abgerufen: 4.3.2022)
[3] Umweltbundesamt (05.11.2021) Umweltzustand und Trends – Wohnfläche. https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#zahl-der-wohnungen-gestiegen (Abgerufen: 4.3.2022)
[4] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022) So heizen die Deutschen. https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2019/10/Meldung/direkt-erfasst_infografik.html (Abgerufen: 4.3.2022)
[5] Verbraucherzentrale (07.12.2021) Heizung: 10 einfache Tipps zum Heizkosten sparen https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/heizen-und-warmwasser/heizung-10-einfache-tipps-zum-heizkosten-sparen-13892 (Abgerufen: 4.3.2022)
[6] Eon (2022) Durchschnittlicher Gasverbrauch in Deutschland. https://www.eon.de/de/pk/erdgas/gasverbrauch.html (Abgerufen: 4.3.2022)
[7] Energiesparenimhaushalt.de (2022) Warmwasser durch Gas https://www.energiesparen-im-haushalt.de/energie/bauen-und-modernisieren/modernisierung-haus/heizung-modernisieren/heizungsanlage-erneuern/gasheizung-erneuern/gasverbrauch-warmwasser.html (Abgerufen: 4.3.2022)
[8] Vogue (28.02.2020) Kalt duschen: Wie das Morgenritual uns fitter und glücklicher werden lässt https://www.vogue.de/beauty/artikel/kalt-duschen (Abgerufen: 4.3.2022)
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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