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Die Glaskuppel des Deutschen Bundestags, ein Symbol für Transparenz und Demokratie, steht für die laufenden Diskussionen zur Digitalpolitik im Vorfeld der Bundestagswahl 2025.
05 Februar 2025| doi: 10.5281/zenodo.14824011

Wie könnte die Digitalpolitik nach der Bundestagswahl 2025 aussehen?

Wie soll Deutschland digitaler werden? Im Wahlkampf zur Bundestagswahl am 23. Februar setzen Parteien unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Digitalpolitik, von der Einrichtung eines Digitalministeriums bis zur Regulierung digitaler Plattformen und KI. Dieser Blogartikel analysiert die wichtigsten Positionen der Parteien und zeigt, welche Rolle Digitalpolitik in der nächsten Regierung spielen könnte. 

Welche Rolle spielt Digitalpolitik bei der Bundestagswahl?

Am 23. Februar wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Digitalpolitik wird im öffentlichen Diskurs häufig als wichtiges Thema für die Modernisierung des Landes betrachtet. Zwar stehen im öffentlichen und politischen Diskurs (zurecht) Themen wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie wirtschafts- und sozialpolitische Fragen im Vordergrund, doch lohnt sich ein Blick auf digitalpolitische Aspekte. Dies gilt besonders, da Deutschland bei der Digitalisierung im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld liegt, und besonders bei der Digitalisierung der Verwaltung noch Verbesserungsbedarf besteht (z.B. Europäische Kommission, 2022). Gleichzeitig wurde Digitalpolitik von deutschen Parteien in der Vergangenheit stärker thematisiert als in vielen anderen europäischen Staaten  (König & Wenzelburger, 2018). Wie sehen die digitalpolitischen Vorschläge bei der diesjährigen Bundestagswahl aus?

Im Folgenden werden die (vorläufigen) Wahlprogramme der Parteien analysiert, die im nächsten Bundestag vertreten sein könnten. Digitalpolitik wird hierbei als Querschnittsthema verstanden, welches sowohl die Bereitstellung von digitaler Infrastruktur als auch die Digitalisierung unterschiedlicher Politik- und Lebensbereiche und ihre Auswirkungen umfasst. Die Analyse beruht auf den relevanten Passagen der Wahlprogramme: Zum Zeitpunkt der Untersuchung (Stand: 13.01.) lagen einige Programme nur in der Entwurfsfassung vor, die finalen Wahlprogramme können also noch Änderungen enthalten. Dieser Artikel soll einen Überblick über ausgewählte Vorschläge von Parteien geben und stellt keine Wahlempfehlung dar. 

Welche Themen rund um die Digitalpolitik werden besonders hervorgehoben?

Vorangegangene Studien zeigen, dass deutsche Parteien digitalpolitische Themen oft im Einklang mit ihren allgemeinen Schwerpunkten behandeln. So benannte z.B. die Union vor allem die wirtschaftlichen Aspekte der Digitalisierung, während die Grünen Digitalpolitik auch in einen starken Zusammenhang mit umwelt- und gesellschaftspolitischen Fragen brachten (König, 2018; König & Siewert, 2021). Dieser Trend war bereits bei der Europawahl 2024 zu beobachten (Güttel, 2024) und setzt sich auch im Bundestagswahlkampf fort. 

Die Parteien unterscheiden sich sich zudem darin, wie sie Digitalpolitik in ihren Programmen verankern: Während beispielsweise Bündnis 90/ Die Grünen der Digitalisierung ein Unterkapitel “Für ein modernes und digitales Land” relativ zu Beginn des Wahlprogramms widmen, wird das Thema bei anderen Parteien wie z.B. bei Union und SPD im Rahmen von unterschiedlichen Unterkapiteln aufgegriffen. Spannend ist hierbei auch, dass die FDP, die ihre Wahlkampagne 2017 noch stark auf Digitalisierung als Thema stützte (Franzmann, 2019), diese nun vergleichsweise weniger stark in den Fokus rückt. 

Trotz unterschiedlicher Ansätze gibt es bei den Parteien im demokratischen Spektrum viele gemeinsame digitalpolitische Forderungen. Dazu gehören der Ausbau digitaler Infrastruktur, die Entbürokratisierung, die Digitalisierung des Gesundheitswesens und wirtschaftliche Chancen durch digitale Technologien (siehe auch den Digitalthesencheck von D64 für einen Überblick). Die folgende Analyse betrachtet drei zentrale Fragen: Soll ein eigenes Digitalministerium geschaffen werden? Wie positionieren sich die Parteien zur Regulierung digitaler Plattformen und Künstlicher Intelligenz? Und wie begründen die Parteien diese Forderungen?

Bekommt Deutschland erstmalig ein Digitalministerium?

Alle Parteien des demokratischen Spektrums thematisieren Digitalisierung im Zusammenhang mit einem Abbau von Bürokratie sowie einem modernen Staat und heben hier dringenden Handlungsbedarf hervor. Die Union, SPD, und FDP fordern zur Umsetzung dieser Ziele erneut die erstmalige Einrichtung eines Digitalministeriums. Die Union verbindet die vorgeschlagene Einrichtung eines Digitalministeriums mit der aus ihrer Sicht nötigen “Re-industrialisierung des Landes” (CDU, 2024, S. 2-3). Auch soll ein Digitalministerium die Verantwortung für Fragen wie KI- oder Datenpolitik sowie für die IT-Beschaffung übernehmen. Die SPD bringt ein gefordertes Digitalministerium vor allem mit der geforderten Verwaltungsdigitalisierung in Verbindung (SPD, 2025). Die FDP fordert, dass die Verwaltungsdigitalisierung aus dem Bundesinnenministerium herausgelöst werden soll und die bestehenden Digitalisierungsabteilungen anderer Ministerien zu einem Digitalministerium zusammengefügt werden sollen (FDP, 2025, S. 37). Zur stärkeren Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Verwaltungsdigitalisierung schlägt die FDP auch eine Grundgesetzänderung vor (FDP, 2025, S. 12).

Die Grünen verfolgen einen anderen Ansatz: Anstatt eines Digitalministeriums fokussieren sich ihre Vorschläge auf eine Neubündelung mancher Aufgaben im Föderalstaat und Reformprozesse, die auch durch Diskussionen in einem Bürgerrat begleitet werden könnten (Bündnis 90/ Die Grünen, 2025, S. 17). Um Investitionen in die Digitalisierung aufholen zu können, fordern die Grünen eine Reform der Schuldenbremse. In den Wahlprogrammen, beziehungsweise deren Entwürfen, von AfD, BSW und der Linken finden sich keine Äußerungen zu den institutionellen Rahmenbedingungen der Digitalisierung. 

Expert*innen aus der Zivilgesellschaft fordern ein starkes politisches Mandat für die Digitalisierung sowie eine Modernisierung der Arbeitsweise der Bundesregierung und die Einbindung der Zivilgesellschaft. Dabei betrachten sie die Frage, ob dieses politische Mandat in einem Digitalministerium angesiedelt ist, als nachgeordnet (Heumann, 2025). 

Wie bewerten Parteien die Regulierung von digitalen Plattformunternehmen und KI?

Schon bei der letzten Europawahl hatten sich unterschiedliche Positionen zu Fragen nach der Regulierung von digitalen Plattformunternehmen wie Facebook sowie Künstlicher Intelligenz gezeigt (Güttel, 2024). Dies setzt sich in diesem Bundestagswahlkampf fort: Die SPD fordert einen Ausbau der KI-Strategie (SPD, 2025, S. 7) und will KI auch in der Polizei zur Kriminalitätsbekämpfung einsetzen (SPD, 2025, S.38). Sie stellt sich hinter die kürzlich in Kraft getretene europäische KI-Verordnung (Verbraucherzentrale, 2024) und den Digital Services Act (DSA) (Watolla & Kettemann, 2024) wenn sie eine Kennzeichnungspflicht von Bots auf Online-Plattformen plant (SPD, 2025, S.38). Die Grünen bezeichnen die KI-Verordnung als wichtigen Grundstein von “digitalen Bürger*innenrechten” (Bündnis 90/ Die Grünen, 2025, S. 50). Union und FDP hingegen fordern, die KI-Verordnung “innovationsfreundlicher” (FDP, 2025, S. 10) zu gestalten oder sie nicht “überzuerfüllen” (CDU, 2024, S. 27). Die Union stellt sich hinter eine “Digitalisierung aller Lebensbereiche und den Einsatz von KI”, was auch die Nutzung von KI durch Sicherheitsbehörden einschließt (CDU, 2024, S. 27). Die Linke hingegen fordert, dass gesellschaftlich debattiert wird, welche digitalen Technologien in unseren Alltag übernommen werden sollen, und grenzt sich so von einem Diskurs ab, der Digitalisierung als gegeben betrachtet (Linke, 2025, S. 57). Zudem fordert sie digitale Teilhaberechte und kritisiert die Macht digitaler Plattformunternehmen stark. 

Die rechtsradikale AfD lehnt die europäische KI-Verordnung und den DSA sowie das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz ab, mit der Begründung diese schränkten die Meinungsfreiheit ein (AfD, 2024, S. 20). Auch zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Desinformation werden harsch kritisiert, da Internetnutzer*innen das Recht hätten, sich “zu irren” (AfD, 2024, S. 20). Erneut behauptet die rechtsradikale Partei, dass europäische Staaten Social Scoring-Techniken nach chinesischem Vorbild aufbauen wollen würden (AfD, 2024, S. 18). Zu dieser Behauptung gibt es keine Evidenz. Das Bündnis Sahra Wagenknecht kritisiert Europa als “digitale Kolonie des Silicon Valleys” (BSW, 2025, S. 31) und fordert Digitalisierung ohne “Zwang” mit analogen Alternativen (BSW, 2025, S. 18).  

Digitalpolitik in der neuen Bundesregierung

Trotz einiger gemeinsamer digitalpolitischer Forderungen im Wahlkampf zeigen sich auch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und Positionen der Parteien. Weitgehende Ähnlichkeiten bestehen bei den Parteien im demokratischen Spektrum zu den Chancen der Digitalisierung in Bereichen wie Verwaltung und Gesundheit. Es bleibt jedoch spannend, wie und mit welcher Priorität Digitalpolitik von der nächsten Bundesregierung gestaltet wird. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund voraussichtlich komplexer Koalitionsverhandlungen und dem starken Festhalten an der Schuldenbremse mancher Parteien wie Union und FDP. Der zukünftige Koalitionsvertrag sowie die organisationale Aufteilung und personelle Besetzung der neuen Bundesregierung könnten erste Auskunft darüber liefern, welche Priorität der Digitalisierung zukünftig beigemessen wird. Auch der Umgang mit digitalen Plattformunternehmen könnte noch mehr Bedeutung gewinnen. Hinsichtlich der Ankündigung Metas, Faktenprüfung auf Facebook und Instagram einzustellen (Tagesschau, 2025) sowie der Unterstützung rechtsradikaler Kräfte durch Elon Musk (Nenno & Lorenz-Spreen, 2025; Wired, 2025), stellt sich die Frage, ob dieses Themenfeld auch parteipolitisch stärker politisiert werden wird.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Licinia Güttel

Ehem. assoziierte Forscherin: Entwicklung der digitalen Gesellschaft

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