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Open Access, but not for free: Resilient financing for academic publishing
Open access publishing does cost money too. But if the reader does not pay, who else is? Modes of community publishing and funding provide answers and hint towards a crucial set of values for academic exchange. Several research projects follow-up on this and work on practical solutions.
Open Access – und wer zahlt die Rechnung?
Die ursprüngliche Idee von Open Access war es, einem System der Kapitalisierung von Wissen durch die Verlagsindustrie zu begegnen, welches sich in den 1990ern in einem Missverhältnis von steigenden Subskriptionsgebühren bei gleichzeitig sinkenden Erwerbungsbudget niederschlug (vgl. “Serials crisis”). Diesen politischen Anspruch führt die Open-Access-Community dieser Tage und trotz manch unintendierter Nebenwirkung fort, wenn sie die Notwendigkeit eines fairen und freien Publikationssystems hervorhebt. Denn es scheint, als ob die zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung wissenschaftlichen Publizierens zu einer Homogenisierung von Publikationskulturen führt – etwa wenn aus Gründen der Skalierbarkeit entsprechende Publikationsworkflows, Produktionsprozesse und Publikationssprachen standardisiert werden. (vgl. Adema & Moore, 2021, S. 28). Hier braucht es Diversität und ein Wechselspiel von klein und groß, von lokal und global.
Zugleich kostet jede Form des Publizierens Geld, sofern sie nicht auf prekären Anstellungsverhältnissen oder unethischen Publikationspraktiken beruht (vgl. “Predatory publishing”). Im Globalen Norden scheinen sich autorenbezogene Gebühren (sog. “Article Processing Charges”) als Norm zu etablieren (vgl. Eve et al., 2020), die zwar eine planbare Finanzierung ermöglichen, aber zu recht als unfair und rückständig gelten: Anstatt neue, kreative Wege der Publikationsförderung zu finden, wird das Gebührenmodell der Subskription in eine Belastung für Autor*innen (bzw. ihre Einrichtungen) übersetzt (zu den Gründen und Nachteilen vgl. Ganz et al., 2019). Und auch wenn in den Geistes- und Sozialwissenschaften nur ein Viertel der Zeitschriften auf APCs setzt (vgl. Crawford, 2019), so dominiert das Thema den Diskurs um Open-Access-Geschäftsmodelle.
Selbst ist die Wissenschaft!
Diese Dominanz des APC-Modells bringt insbesondere neue, gebührenfreie Open-Access-Projekte in eine schwierige Situation. Speziell von der Wissenschaft geführte und von kommerziellen (Groß-)Verlagen unabhängige Zeitschriften (sog. “Scholar-led”) kritisieren seit Jahren die unzureichende Finanzierung, fehlende Förderstrategien und die Weigerung vieler Communities, endlich Verantwortung zu übernehmen (vgl. scholar-led.network, 2021). Zugleich suchen diese unabhängigen Zeitschriften und dazugehörige Initiativen nach Finanzierungs- und Governancemodellen, die den politischen Anspruch der Open-Access-Bewegung aufgreift und weiterentwickelt.
Diese Aspekte des wissenschaftsgeführten Publizierens sind jedoch nicht nur wichtig für eine bibliodiverse Publikationslandschaft, sondern haben sich als Katalysator für kreative und experimentelle Formate zur Governance, Finanzierung und Technologien des Open-Access-Publizieren insgesamt erwiesen. Organisationen wie die Open Library of Humanities oder SciPost, Zusammenschlüsse wie das Radical Open Access Collective oder Konsortien wie ScholarLed bieten u.a. Geschäftsmodelle, Werkzeuge, Handbücher und Netzwerke, von denen unterschiedliche Akteur*innen des akademischen Publizierens profitieren können.
Roadmap für eine robuste Finanzierung
Eine Chance für das kreative Segment der Scholar-led-Publikationen sind gemeinschaftliche Finanzierungsmodelle, bei denen Akteur*innen aus der Literaturversorgung und Forschungsförderung im Verbund auftreten, um Zeitschriften- und Buchpakete zu finanzieren. Wie am Beispiel etablierter Bibliothekskonsortien deutlich wird bieten sie die Möglichkeit übertragbarer, skalierbarer und robuster Finanzierung und scheinen in dieser Hinsicht geeignet, um bedarfsgerecht zu fördern. Zur gleichen Zeit bietet keine der vorhandenen Organisationen, Projekte oder Initiativen Fördermöglichkeiten für wissenschaftsgeführte Publikationsprojekte, die unmittelbar Open Access gestartet sind (vgl. Waidlein et al., 2021).
Was wären aber nun die zentralen Schritte zur Umsetzung eines Unterstützungsangebotes für wissenschaftsgeführtes, unmittelbares Open Access? Wir können uns hier an den Vorarbeiten der Open-Access-Community orientieren, speziell zu Governance, Qualitätssicherung und Marketing. Die eigentliche Umsetzungsphase müsste mit einer Kartographierung des Segments an Publikationsprojekten in wissenschaftlicher Hand beginnen: diese Übersicht dient nicht nur der Samplebildung für anschließende Erhebungen, sondern ermöglicht es, relevante Einzelakteur*innen zu identifizieren und einzubinden. An die Marktübersicht würde sich eine Kosten- und Bedarfserhebung anschließen: Was kostet wissenschaftsgeführtes Publizieren überhaupt und wo fehlt es an Mitteln? Auf dieser Erhebung aufbauend könnte ein Konzept entwickelt, getestet und implementiert werden, welches bedarfsgerecht zugeschnitten wurde und von der Community getragen bzw. verstetigt werden kann.
Die Erfahrungen in ähnlichen Projektkontexten haben jedoch gezeigt (vgl. etwa Eve, 2020), dass Förderung im Feld des Scholar-led-Publizierens kompliziert und herausfordernd ist. Einerseits kommunizieren Zeitschriften, Förderer, Fachgesellschaften, Bibliotheken und Forschungseinrichtung bislang nicht in regelmäßiger und standardisierter Form, was vielfach zu einer kommunikativen Pattsituation führt. Hier könnten spezifische und interoperable Standards und Workflows als organisationaler Rahmen für die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit dieser Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen des Wissenschaftssystems helfen. Darüber hinaus brauchen wir lösungsorientierte, disziplin- und professionsübergreifende Forschung, die die einzelnen Umsetzungsphasen der Unterstützungsstruktur begleitet und dabei mindestens drei Themenbereiche abdeckt:
Fachzuständigkeit: Wer ist verantwortlich für die Unterstützung inter-/transdisziplinärer Publikationsprojekte?
Förderleitlinien/-aufträge: Wie können Publikationsbudgets angesprochen und Förderaufträge adressiert werden?
Haushaltsrechtliche/budgetäre Vorgaben: Unter welchen administrativen Bedingungen können Gelder von den jeweiligen Verantwortlichen ausgezahlt bzw. verbucht werden?
Für einen transparenten Wertekanon
Eine bedarfsorientierte und langfristige Unterstützungsstruktur ist für die Wissenschaftscommunities nur dann von Vorteil, wenn in den jeweiligen Projekten und Initiativen Vorannahmen des Publikationsdiskurses hinterfragt werden. Auch kann so eine mögliche Übernahme der Unterstützungsstruktur durch profitorientierte Akteur*innen und damit eine Rekommerzialisierung vermieden werden.
Zentral für einen solchen Wertekanon ist zunächst, dass nicht nur das Forschungsdesign integrativ auf die Bedarfe der Communities eingeht, sondern die Unterstützungsstruktur als Community-Projekt aufgestellt ist. Adema und Moore (2018, S. 3) zeigen anhand der Arbeitsweise des Radical Open Access Collective wie ein neues Modell der gemeinsinnorientierten Zusammenarbeit aussehen kann: einerseits mit horizontalen Allianzen zwischen kleinen/lokalen Publikationsprojekten eines bestimmten Sektors (z.B. Scholar-led-Zeitschriften); andererseits durch den Aufbau vertikaler Kollaborationen zwischen Akteur*innen aus unterschiedlichen Teilbereichen des Open-Access-Ökosystems.
Wenn man diesen kooperativen Gedanken weiterdenkt, sind es nicht unbedingt Wettbewerbs- und Profitdenken, die neue Entwicklungen im Feld des Scholar-led-Publizierens vorantreiben. Vielmehr ermöglicht eine Ethik der gegenseitigen Verlässlichkeit (“mutual reliance”), dass robuste und langfristige Prozesse der “community governance” etabliert werden (vgl. Adema & Moore, 2021, S. 40). Dabei muss in den Debatten über oft wenig wirksame Beschwörungen von Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit hinausgegangen werden und stattdessen ein durchdachtes Set an Werten entwickelt werden. Im Ergebnis wäre damit eine Suche nach dem Gemeinsamen und Gemeinschaftlichen von Open Access angestoßen (vgl. Moore, 2018).
Schließlich hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass neue Projekte und Initiativen im Feld des Scholar-led-Publizierens sich zu voller Transparenz und einem Konzept der Nachnutzbarkeit ihrer Ergebnisse verpflichten sollten. Transparentes Forschen und Entwickeln meint dabei nicht nur, fortlaufend über das jeweilige Vorgehen zu informieren, sondern es durch die Einbindung entsprechender Akteur*innen aus der Community in die jeweiligen Arbeitsabläufe strukturell in den Projektzusammenhängen zu verankern. Dies setzt sich fort in einem belastbaren Konzept der Nachnutzung, welches schon in der Planungsphase die Anschlussfähigkeit etwaiger Ergebnisse mitdenkt: Risikovermeidung, Praktikabilität und Qualitätssicherung können als Standards für dieses Nachnutzungskonzept definiert werden.
Ausblick & Projekte
In Deutschland gibt es gegenwärtig mehrere Projekte, die zu einer robusten, wissenschaftsgeführten Publikationskultur beitragen. Im Rahmen der jüngsten “Richtlinie zur Förderung von Projekten zur Beschleunigung der Transformation zu Open Access” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde beispielsweise eine landscape study bewilligt, die Performance, Effizienz und Funktionsweise von Diamond-OA-Journalen auch unter Scholar-led-Gesichtspunkten untersucht (CODRIA). Daneben erarbeiten und implementieren zwei weitere Projekte (KOALA, Scholar-led Plus) gemeinschaftliche Finanzierungs- und Förderstrukturen für freies, gebührenfreies Open Access. Das Segment im Sinne einer vielfach geforderten Bibliodiversität ergänzen beispielhaft zwei Projekte zu qualitätsgesicherten, wissenschaftlichen Blogs als Infrastruktur für wissenschaftliche Publikationen und Beschleuniger der Open-Access-Transformation (OZOR).
Open Access meint heutzutage nicht mehr einfach, Zugang zu wissenschaftlicher Literatur zu ermöglichen – das scheint auf unterschiedlichen, z. T. illegalen Wegen möglich. Vielmehr gelte es, die “RAF crisis” zu überwinden: ‘Reliability’, ‘Affordability’, ‘Functionality’ von Open Access muss sichergestellt werden. Zumindest der Forderung nach Bezahlbarkeit können wir für das bislang vernachlässigte Segment des wissenschaftsgeführten, gebührenfreien Open Access mit einem robusten Modell der gemeinschaftlichen Finanzierung nachkommen. Packen wir es an!
Literatur
Adema, J., & Moore, S. A. (2021). Scaling Small; Or How to Envision New Relationalities for Knowledge Production. Westminster Papers in Communication and Culture, 16(1), 27-45. https://doi.org/10.16997/wpcc.918
Adema, J. & Moore, S. A. (2018). Collectivity and collaboration: imagining new forms of communality to create resilience in scholar-led publishing. Insights 31(3), 1-11. https://doi.org/10.1629/uksg.399
Crawford, W. (2019): Gold Open Access 2013–2018: Articles in Journals (GOA4). Cites & Insights Books. https://waltcrawford.name/goa4.pdf
Eve, M. P., Vega, P. C., & Edwards, C. (2020). Lessons From the Open Library of Humanities. LIBER Quarterly: The Journal of the Association of European Research Libraries, 30(1), 1-18. https://liberquarterly.eu/article/view/10742
Fokusgruppe scholar-led.network (2021). Das scholar-led.network-Manifest. https://doi.org/10.5281/zenodo.4925784
Ganz, K., Wrzesinski, M., & Rauchecker, M. (2019). Nachhaltige Qualitätssicherung und Finanzierung von non-APC, scholar-led Open-Access-Journalen. LIBREAS. Library Ideas, 36. https://libreas.eu/ausgabe36/ganz/
Moore, S., (Ed.). (2018). The Commons and Care. Rope Press. https://www.carmah.berlin/wp-content/uploads/2019/02/the-commons-and-care.pdf-2.pdf
Waidlein, N., Wrzesinski, M., Dubois, F., & Katzenbach, C. (2021). Working with budget and funding options to make open access journals sustainable. HIIG Discussion Paper Series 2/2021, 1-33. https://doi.org/10.5281/zenodo.4558790
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