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Competing against digital giants – platform economy in Germany and Europe
Sina Beckstein analyses the panel discussion “Competing with digital giants”, which took place as a part of the Internet Governance Forum Germany (IGF-D). Subject of the discussion was the competitiveness of German and European platforms in an international scope.
„Plattform“ ist das Wort der Stunde, wenn es um Unternehmensmacht, Wettbewerb und die Zukunft der digitalen Ökonomie und Gesellschaft geht. Obwohl selbst die größten Plattformunternehmen nicht viel mehr als als 20 Jahre alt sind, erlangten einzelne Unternehmen und die gesamte Plattformökonomie eine große Marktrelevanz: Google Search hält zum Beispiel seit vielen Jahren einen Desktop-Suchanfragen Anteil von 90% und weltweit wird die gesamte Plattformökonomie mit einer Marktbewertung von ca. 4.3 Billionen US-Dollar beziffert.
Das Image der am häufigsten diskutierten US-amerikanischen und chinesischen Plattformen – GAFAM (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) und BAT (Baidu, Alibaba, Tencent) – ist aber angekratzt. Die Praktiken der digitalen Plattformen werden in der Öffentlichkeit häufig als rücksichtslose Monetarisierung und Akkumulation von persönlichen Daten, einem verdrängenden Marktverhalten, sowie einer Einstellung nach dem Credo „don’t ask for permission, ask for forgiveness“ stilisiert. Ob diese Disruptionslogik der Tech-Giganten auch deutsche und europäischen Plattformen betrifft, war deshalb Thema des Plattformökonomie-Panels während des deutschen Ablegers des Internet Governance Forums 2019.
Im Kern der Debatte stand die Frage, ob große digitale Plattformen so übermächtige digitale Infrastrukturen geworden sind, dass europäischen Tech-Startups Markteintritts- und Wachstumschancen verwehrt bleiben – und wie ein europäisches Gegengewicht aussehen könnte.
„Wenn Facebook mit Spendenfunktionen um die Ecke kommt, hat natürlich jede NGO den Impuls zu sagen: Warum brauchen wir diesen kleinen deutschen Ableger noch, der mir nicht das bringt, was mir Facebook für den gleichen Aufwand bringt.“
Carolin Silbernagl, Betterplace.org
Ein Unternehmensbeispiel für den Kampf zwischen großen und kleineren Plattformen war auf dem Panel vertreten: Carolin Silbernagl von der Spendenplattform Betterplace.org sieht das eigene gemeinnützige Unternehmen von großen Digitalunternehmen wie Facebook bedroht. Sie plädiert für das Schaffen von Alternativen, die sowohl politisch und strukturell andere Werte verfolgen: Multistakeholder-Modelle oder genossenschaftlich Unternehmensformen seien Wege zu einer nachhaltigeren Plattformökonomie.
„Das Problem ist weniger die digitale Plattform per se, sondern vielmehr, wie sie aktuell dominant gelebt wird – mit Fokus auf Exit und Shareholder Value.“
Carolin Silbernagl, Betterplace.org
Auf der anderen Seite sieht Silbernagl eine Werteorientierung auch als strategischen Vorteil gemeinnütziger Modelle: Facebook als Spendenplattform sei eben nicht zwangsläufig glaubwürdig und transparent. Auch die Plattform nebenan.de, die sich gegen den US-amerikanischen Konkurrenten nextdoor durchsetzen konnte, sei ein Triumph von sozialem Entrepreneurship über stärker profitorientierte Geschäftsmodelle.
Strategie gegen Plattformmacht: Da die Allianz zwischen NutzerInnen und den großen Plattformen angesichts vieler öffentlicher Skandale bröckelt, könnten an dieser Stelle werteorientierten Modelle angreifen und sich positionieren.
„Ist der Kampf der digitalen Plattformen überhaupt zu gewinnen?“
Ela Kagel, Supermarkt Berlin
Wenn aber digitale Märkte mono- und oligopolisiert sind, stellt sich für Thorsten Käseberg als Wettbewerbsexperte im Bundeswirtschaftsministerium die Frage, inwiefern europäische Startups überhaupt wachsen können.
„Es kommt die Frage: ‚Europa, was ihr gut könnt, ist die Giganten zu regulieren‘ – Dem würde ich auch widersprechen wollen.“
Thorsten Käseberg, BMWi
Für Käseberg steht fest, dass es keine neue einseitige ‚Regulierung‘ braucht, sondern ein level playing field geschaffen werden müsse, „damit am Ende nicht der gewinnt, der mit den härtesten Bandagen kämpft, sondern der, der das innovativste Produkt hat.“
Wo Tech-Unternehmen ihre Vormachtstellung durch vertikale Integration und Unternehmenszukäufe absichern, müsse die Politik aber doch eingreifen und vor allem „die Wettbewerbspolitik in den nächsten Jahren sehr genau hinschauen.“ Wie digitale Märkte nun aber genau definiert sind oder welche Grenze für datengetriebene M&A-Aktivitäten wettbewerbskritisch ist, bleibt offen.
„Nicht alle Plattformen sind böse.“
Daniel Enke, Zalando
Plattformmacht könnte sich bald auch am Beispiel Amazon und Zalando zeigen. Amazons Entscheidung, Modeartikel stärker und personalisierter mit Prime Wardrobe in den Marketplace zu integrieren, liegt gerade erst ein paar Wochen zurück. Für Panelist Daniel Enke unterscheidet sich Amazons Strategie aber in zentralen Punkten vom Modehändler Zalando: Plattformen wie Ebay und Amazon hätten sich als offener Marktplatz – das heißt ohne konkrete Selektion von Produkten – positioniert. Mit dem Fokus auf ausgesuchten Markenartikeln und Berücksichtigung von Kundenwünschen hätte sich Zalando so weit spezialisiert, dass das Unternehmen im hart umkämpften B2C-Markt Fuß fassen konnte. Vor dem Hintergrund dessen, dass Amazon in Deutschland im Vergleich zu Zalando 2018 fast den 7-fachen Umsatz von Zalando erzielte, bleibt abzuwarten, ob diese Spezialisierungsstrategie am Ende aufgeht.
„Wir brauchen eine gesellschaftliche Vision und politische Rahmensetzung, wie wir mit Daten umgehen wollen, zwischen öffentlichem Gut, individuellem Recht und Wirtschaftsgegenstand.“
Carolin Silbernagl, Betterplace.org
Eine Pflicht zum Teilen von Daten einzuführen und damit den Zugang zu Daten zu demokratisieren, ist häufig in politischen Debatte gefordert worden. Daniel Enke von Zalando, einer rein europäisch aufgestellten B2C E-Commerce Plattform, sieht im ‘Daten für alle’ Konzept aber keine große Marktchance: das Unternehmen hätte noch kein Modell erkannt, das großen Mehrwert für Zalando gehabt hätte. Auch Nicolas Friederici schätzt die Umsetzbarkeit zum Beispiel von unparteiischen Datentreuhändern als unrealistisch ein: „Sobald man nicht mehr diese zentrale, übermächtige Plattform hat, die die Daten schluckt und auswertet, wird es sofort kompliziert. Wenn wir über Mittelständler-Plattformen nachdenken, stehen diese eben auch oft in Konkurrenz; das heißt, wir brauchen einen unabhängigen Intermediär, der die Daten verwaltet – aber welcher Intermediär ist dann schon wirklich unabhängig?“
„Wir müssen von einer Imitationslogik und Vereinheitlichung der Plattformökonomie wegkommen.“
Nicolas Friederici, HIIG
Nicolas Friederici plädiert dafür, die großen Plattformen nicht zu imitieren und sich stattdessen vielmehr europäisch zu emanzipieren – durch europäische Kooperation und einer Ökosystemlösung. Auch vom vorherrschenden Wachstumsparagdima müsse man sich verabschieden: „Wachstum ist nicht das wichtigste Kriterium von alternativen Plattformmodellen. Wenn wir sagen wir brauchen alternative Infrastrukturen für Nutzer, dann müssen diese vielleicht gar nicht so riesig sein, solange es diese Alternativen gibt.“ Ela Kagel sieht Kooperativen wie FairBnB oder Resonate als erste wichtige Ansatzpunkte. Es bleibt dennoch offen, wie alternative Modelle Nutzer auf ihre Plattform bringen können, wenn sie nicht vom zentralen Wachstumstreiber des typischen Plattform-Modells, dem Netzwerkeffekt, profitieren, da dieser bereits von den größeren Unternehmen ausgeschöpft wurde.
“Wir wissen, dass wir es noch nicht wissen.”
Carolin Silbernagl, Betterplace.org
Wie genau eine europäische Vision der Plattformökonomie aussehen könnte, bleibt auch unter den PanelistInnen offen – „wir haben (noch) nicht das perfekte Modell gefunden“ (Carolin Silbernagl, Betterplace.org) – eine „One-Size-Fits-All Lösung“ sei nicht sinnvoll (Daniel Enke, Zalando). Nicolas Friederici betont, dass die Strukturen im Silicon Valley über 30 Jahre gewachsen seien und die dezentralen Strukturen der EU eine solche Zentralisierung nicht zulassen würden. Thorsten Käseberg sieht Grund zur Hoffnung, wenn unternehmerisch und politisch gehandelt wird: „Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, ist mir egal – wir müssen es voller machen. Wir brauchen mehr Unternehmen wie Spotify und Zalando.“
Titelfoto: Joshua Ness, unsplash
Die Rechte für sämtliche Fotographien in diesem Artikel liegen beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi).
Link zum Videostream des Panels (ab Minute 20:00): https://www.intgovforum-deutschland.org/
Beitrag des Deutschlandfunks zum Panel: https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2019/09/11/5g_regulierung_wettbewerb_internet_governance_forum_dlf_20190911_1353_021473ea.mp3
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