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coworking
19 Juni 2018| doi: 10.5281/zenodo.1293811

Enterprise Social Networks: Empowerment oder Kontrolle?

Im Zuge der Digitalisierung des Arbeitsplatzes führen zahlreiche Unternehmen digitale Plattformen ein, die die MitarbeiterInnenbeteiligung stärken sollen. Die Implikationen von Social Media für politisches Engagement und Partizipation wurden im Bereich der Internetforschung bereits umfassend thematisiert. Aber auch in der Arbeitswelt haben soziale Netzwerke in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, vor allem wegen ihres Potenzials, die MitarbeiterInnen in die Lage zu versetzen, Wissensmanagementstrategien innerhalb von Organisationen umzusetzen. Die Vorteile von Enterprise Social Networks für den internen Betrieb, einschließlich der Verbreitung und Erstellung von Informationen, sind vielversprechend.

Die Vorteile der Demokratisierung des Zugangs zu Informationen für die MitarbeiterInnen sind unter anderem:

  • Steigerung des Engagements und der Motivation der MitarbeiterInnen für das Unternehmensziel
  • Förderung der Produktivität und Kreativität der AnwenderInnen sowie
  • eine insgesamt höhere Zufriedenheit der MitarbeiterInnen.

Enterprise Social Networks haben in jüngster Zeit viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten – vor allem durch Arbeiten, die sich mit verschiedenen Aspekten befassen, einschließlich des Potenzials, die MitarbeiterInnenbeteiligung in Organisationen zu verbessern.

Auf den ersten Blick deaktivieren kollaborative Kommunikationstechnologien hierarchische Strukturen des Informationsflusses, erweitern die Informationskanäle und ermöglichen eine Bottom-up-Kommunikation. Enterprise Social Networks fördern jedoch nicht nur die Kommunikation zwischen den MitarbeiterInnen durch Instrumente der sozialen Zusammenarbeit, sie ermöglichen auch die Quantifizierung ihrer Arbeit und erweitern dabei die Mechanismen der Informationskontrolle und -steuerung durch den Arbeitgeber: Durch eine Verfolgung der Aktivitäten der MitarbeiterInnen in Echtzeit erhöht sich die Gefahr einer Überwachung der Mitarbeiter.

Diese Entwicklung führt dazu, dass deutsche Betriebsräte die Umsetzung von Enterprise Social Networks verbieten, da sie nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 87) ein Veto einlegen können, wenn das Wohlergehen der ArbeitnehmerInnen in Frage gestellt wird. Die Frage der Kontrolle der ArbeitnehmerInnen auf digitalen Plattformen muss durch die Untersuchung neuer Formen und Prozesse der MitarbeiterInnenbefähigung online angegangen werden. In unserem Forschungsprojekt am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin untersuchen wir die Möglichkeiten der digitalen Transformation in Organisationen, einschließlich ihrer jeweiligen Anpassung an deutsche ArbeitnehmerInnenrechte. Enterprise Social Networks stellen jedoch nicht nur eine Bedrohung für die Rechte der ArbeitnehmerInnen dar, sondern können auch eine Erweiterung zu Gunsten der ArbeitnehmerInnen und der Geschäftspraktiken der deutschen Betriebsräte darstellen. Die Mitbestimmungsrechte in Deutschland laden die ArbeitnehmerInnen ein, ihr Arbeitsumfeld aktiv mitzugestalten – der partizipative Charakter von Enterprise Social Networks könnte daher beispielsweise die Beteiligung der ArbeitnehmerInnen in Organisationen fördern.

Neben den neuen Möglichkeiten der Kontrolle der ArbeitnehmerInnen innerhalb von Enterprise Social Networks treten auch neue Einschränkungen und Möglichkeiten der Informationsverarbeitung für die ArbeitnehmerInnen auf, während die Informationsasymmetrien unter den ArbeitnehmerInnen verstärkt werden. Nicht jede/r MitarbeiterIn besitzt natürlich ein Talent fürs Bloggen und leistet damit einen erfolgreichen Wissenstransfer. Nicht alle MitarbeiterInnen der gesamten Belegschaft sind in der Lage, ihr Wissen umfassend für andere zu teilen. Ältere MitarbeiterInnen, die keine Digital Natives sind, können beispielsweise von Enterprise Social Networks ausgeschlossen werden. Außerdem erlaubt nicht jeder Arbeitsprozess den Zugriff auf Enterprise Social Networks – zum Beispiel, sobald die Arbeitsroutine keinen Computer oder ein smartes Endgerät enthält. So können Informationsasymmetrien unter den MitarbeiterInnen durch den Einsatz von Enterprise Social Networks verstärkt werden, was einen Nachteil darstellt. Dies kann sehr problematisch sein, da der Wissensaustausch formale und informelle soziale Strukturen innerhalb von Organisationen beeinflusst, wie Paul M. Leonardi (Professor für Technologiemanagement an der UC Santa Barbara) argumentiert: „Informationen sind ein wertvolles Gut in Organisationen, weil der Besitz oder das Fehlen von Informationen die soziale Struktur verändern kann, indem diejenigen, die Informationen haben, als mächtige Akteure positioniert werden, und diejenigen, die über weniger Informationen verfügen, als weniger mächtig gelten.“ (Leonardi, Activating the information capabilities of information technology for organizational change, 814).

Die Quantität und Qualität der Informationen, die eine Person besitzt, beeinflusst ihr Ansehen innerhalb einer Organisation. Wenn Informationen gleichmäßig verteilt werden, kann es zu einer Angleichung der Teilnahmequoten unter den Mitgliedern und zu einer Schwächung des Systems der Gruppenmacht insgesamt kommen. Bestimmte BenutzerInnen verfügen möglicherweise über fortgeschrittene Fähigkeiten, um Informationen in einem sozialen Unternehmensnetzwerk zu erwerben, und haben daher mehr Macht in Entscheidungsprozessen. Formale Macht in einer Organisation entspricht dem Grad, in dem auf Wissen zugegriffen und dieses verändert werden kann. Informelle Machtstrukturen sind auch Informations- und Wissensstrukturen.

Organisationen, die Enterprise Social Networks implementieren, müssen sich der zukünftigen Herausforderungen bewusst sein, die diese Netzwerke mit sich bringen. Die Demokratisierung und Humanisierung der Arbeit bleibt eine zentrale Aufgabe der ArbeitnehmerInnenvertreterInnen im Verhandlungsprozess der sich wandelnden Industrien, insbesondere in Deutschland, wo die ArbeitnehmerInnenrechte historisch in den meisten Organisationen verankert sind, die den ArbeitnehmerInnen ein Mitspracherecht bei der Einführung von Instrumenten wie Enterprise Social Networks bieten. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass Betriebsräte neue technologische Instrumente einfach ausschließen, da diese Antwort die Innovation insgesamt behindert, sondern sie vielmehr dazu anregen, sich diese für ihre eigenen Arbeitspraktiken anzueignen und Aspekte der Informationskontrolle in den Verhandlungsprozessen mit der Einrichtung in Frage zu stellen.


This article was first published by Connected Life Conference (Oxford Internet Institute).

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Shirley Ogolla

Assoziierte Doktorandin: Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft

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