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Das Bild zeigt eine Wand mit vielen Uhren, die alle eine andere Uhrzeit zeigen. Das symbolisiert die paradoxen Effekte von generativer KI am Arbeitsplatz auf die Produktivität.
25 September 2024| doi: 10.5281/zenodo.13881388

Zwischen Zeitersparnis und Zusatzaufwand: Generative KI in der Arbeitswelt

KI-basierte Chatbots verändern die Arbeitswelt nachhaltig. Sie unterstützen bei der Informationssuche, Analyse und Texterstellung und versprechen erhebliche Produktivitätssteigerungen. Generative KI wird medial deshalb oft als Katalysator für die Produktivität von Beschäftigten dargestellt. In der Praxis wird sie von diesen jedoch widersprüchlich erfahren. So spart ChatGPT beispielsweise Zeit bei Recherchen ein, verursacht aber auch zusätzliche Arbeit durch Faktenchecks. Dieser Blogartikel beleuchtet die paradoxen Auswirkungen von generativer KI in der Arbeitswelt.

KI-basierte Chatbots wie GPT-4 von Open AI sind flexibel einsetzbar. Sie können genauso genutzt werden, um Informationen zu suchen, zu analysieren und zusammenzufassen, wie um Ideen, Texte und Codes zu generieren und zu überarbeiten. Die hohe Leistungsfähigkeit dieser KI-Anwendungen und ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten machen sie für Unternehmen und Arbeitnehmer*innen gleichermaßen interessant. Und doch scheiden sich die Geister, wenn es darum geht, ihre Auswirkungen abzuschätzen. 

Generative KI als Katalysator für Produktivität

Wenige Monate nachdem der Hype um ChatGPT begonnen hatte, erschienen erste Arbeitspapiere, die dem Programm erhebliches Potenzial zur Steigerung der Produktivität von Arbeitnehmer*innen attestieren (Brynjolfsson et al., 2023; Noy & Zhang, 2023). Bezugnehmend auf diese und ähnliche Studien vermittelt der mediale Diskurs das Bild von generativer KI als Katalysator für Produktivität, der Beschäftigten Arbeit abnimmt und Prozesse beschleunigt. So verkündet eine Überschrift bezugnehmend auf eine der Studien, dass KI die Produktivität von Arbeitnehmenden um 14 Prozent steigert. Ein weiterer Artikel vergleicht die im Zusammenhang mit generativer KI zu erwartende Produktivitätssteigerung sogar mit der industriellen Revolution. Unerwähnt bleibt dabei, dass die den Artikeln zugrunde liegenden Studien auf Experimenten basieren, die nicht notwendigerweise reale Arbeitsbedingungen abbilden und zudem auf sehr spezifische Berufe (wie z. B. den Kundendienst) fokussiert sind. 

Generative KI als Katalyst für zusätzliche Arbeit und Bürokratie

Entgegen dem dominanten medialen Diskurs gab es bald nach der Veröffentlichung von ChatGPT auch erste kritische Stimmen. So schreibt der Autor Ian Bogost in einem Beitrag für The Atlantic, dass ChatGPT uns allen mehr Arbeit aufbürdet, da wir zusätzlich zu allen anderen Aufgaben, die wir zu tun haben, nun auch noch Zeit für die Unterscheidung zwischen Mensch und KI und für die damit verbundene Bürokratie aufbringen müssen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. So müssen sich Hochschulen überlegen, wie sie mit KI-generierten Hausarbeiten von Studierenden umgehen, wissenschaftliche Fachzeitschriften, wofür und in welchem Umfang KI in bei ihnen eingereichten Artikeln eingesetzt werden darf und Gesellschaften, wie sie mit KI-generierten Falschinformationen umgehen. 

Paradoxien im Kontext von Technologien

Um die oben skizzierten und sehr widersprüchlichen Perspektiven zusammenzudenken hilft eine Paradoxperspektive. Im Kontext von technologischem Wandel bezeichnet ein Paradox inhärente Widersprüche, Dilemmata oder unerwartete Folgen, die sich aus der Nutzung und Entwicklung von Technologie ergeben (Mick & Fournier, 1998). Ein Paradox bezeichnet also u.a., dass Technologien sowohl X als auch -X hervorrufen, z. B. wenn immer Technologien die Unabhängigkeit fördern und gleichzeitig zur Abhängigkeit führen, das Gefühl der Intelligenz neben dem Gefühl der Unwissenheit vermitteln, Menschen zusammenführen und gleichzeitig zur Isolation führen. Ein gutes Beispiel für den letztgenannten Effekt ist das Smartphone. Es erleichtert uns, mit unseren Freunden und Bekannten in Kontakt zu sein, und erschwert gleichzeitig im Moment des Zusammenseins eine tiefgreifende Verbindung. 

Paradoxien bei der Arbeit mit ChatGPT

Für eine kürzlich erschienene Studie haben Wissenschaftler*innen 48 Interviews mit Vertreter*innen der Werbewirtschaft geführt, um zu erfahren, wie sich ChatGPT auf ihre Arbeit auswirkt. Ihre Erkenntnis: Beschäftigte erfahren ChatGPTs Auswirkungen als widersprüchlich. Dabei identifizierten sie drei Paradoxien im Umgang mit dem Programm (Osadchaya et al., 2024). Erstens, ChatGPT erleichtert und erschwert Recherchen. Zwar nehmen Arbeitnehmer*innen KI-basierte Chatbots wie ChatGPT im Vergleich zu Suchmaschinen als effektiver wahr, beklagen jedoch auch den zusätzlichen Aufwand, der mit der Überprüfung der Antworten verbunden ist. Zweitens fördern KI-basierte Chatbots sowohl Kreativität als auch Standardisierung. So setzen die Befragten ChatGPT zwar im Rahmen des kreativen Prozesses gewinnbringend ein, beobachten aber gleichzeitig, dass dies eine zunehmende Homogenisierung von Werbebotschaften fördert. Drittens führte der Einsatz von ChatGPT aus Sicht der Befragten zu Effizienzgewinnen und -verlusten. So kann man sich einen Blogartikel wie diesen schnell generieren lassen, muss ihn dann aber zeitaufwändig überarbeiten, was sowohl die Validierung von Fakten als auch die Anpassung der Tonalität betrifft, um zu vermeiden, dass der Text allzu sehr nach KI klingt. 

Ausblick 

Meine eigenen ersten Analysen von Konversationen in Onlineforen zwischen Kreativen aus der Werbeindustrie decken sich mit der Darstellung der Studie. Das heißt nicht, dass generative KI die Produktivität von Beschäftigten nicht steigern kann. Die Effekte wurden jedoch womöglich, im Hinblick auf die Arbeitsrealität, in ersten Studien überschätzt. Warum dies so ist und wann die negativen Auswirkungen überwiegen, bleibt eine offene Frage, die weitere Forschung erfordert, welche auch den Anwendungskontext stärker berücksichtigt. Aus diesem Grund erforschen wir im Projekt Generative KI in der Arbeitswelt sowohl die Anwendung als auch die Auswirkungen von generativer KI in ausgewählten Berufsfeldern wie dem Personalwesen und dem Marketing. 

Referenzen

Brynjolfsson, E., Li, D., & Raymond, L. R. (2023). Generative AI at Work. https://www.nber.org/papers/w31161

Mick, D. G., & Fournier, S. (1998). Paradoxes of Technology: Consumer Cognizance, Emotions, and Coping Strategies. Journal of Consumer Research, 25(2), 123-143. https://doi.org/10.1086/209531

Noy, S., & Zhang, W. (2023). Experimental Evidence on the Productivity Effects of Generative Artificial Intelligence. Available at SSRN 4375283. https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4375283

Osadchaya, E., Marder, B., Yule, J. A., Yau, A., Lavertu, L., Stylos, N., Oliver, S., Angell, R., Regt, A. d., Gao, L., Qi, K., Zhang, W. Z., Zhang, Y., Li, J., & AlRabiah, S. (2024). To ChatGPT, or not to ChatGPT: Navigating the paradoxes of generative AI in the advertising industry. Business Horizons. https://doi.org/10.1016/j.bushor.2024.05.002 

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Georg von Richthofen, Dr.

Senior Researcher & Projektleiter: Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft

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