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01 September 2021

Jung, digital, engagiert – Wie junge Menschen digitale Technologien für das Gemeinwohl nutzen

Prozesse der Digitalisierung lassen neue Engagementfelder und -formen entstehen, wie etwa digitale Modi der Wissensproduktion. Durch COVID-19 gewannen solidarische Praktiken an Relevanz, gemeinnützige Organisationen wurden jedoch auch vor Herausforderungen gestellt: Neue Mittel und Wege der Kommunikation und Kollaboration mussten erprobt werden. 

Online-Petitionen und Hashtag-Kampagnen statt Unterschriftensammlungen und Sitzblockaden? Wie kann gesellschaftliches Engagement in Zeiten der Digitalisierung aussehen? Das HIIG-Projekt Jung. Digital. Engagiert. richtet den Blick in individuellen Portraits von 13 jungen Engagierten auf digitales Engagement. Mit der Kamera schauten wir ihnen über die Schulter, führten Interviews und sprachen über das, was sie zu ihrem Engagement motiviert und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt. In Ergänzung dazu wurden wissenschaftliche Artikel veröffentlicht, die das in den Portraits vorgestellte Engagement im Kontext aktueller Forschung einordnen. Fest steht: Insbesondere junge Menschen nutzen die Möglichkeiten des Internets und digitaler Tools, um sich entsprechend ihrer individuellen Interessen und zeitlich flexibel ehrenamtlich zu engagieren. Ganz im Sinne des Gemeinwohls setzen sie sich mit Digitalisierungsberatungen, technologischen Entwicklungen, Expert*innenwissen oder kreativen Ideen für die Zivilgesellschaft ein. 

Zwei besonders interessante Engagementfelder, die gänzlich neue Praktiken hervorgebracht haben, werden in diesem Artikel näher betrachtet: Das Feld der kollaborativen Problemlösungen und Wissensproduktion sowie das Feld der digitalen Diskurskultur. Zuletzt wird zudem skizziert, wie sich das Engagement in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie verändert hat.

Online und vernetzt: Neue Modi der Wissensproduktion

Seit Bestehen des Internets sind nicht nur Unmengen an Informationen öffentlich zugänglich geworden. Die Digitalisierung hat auch eine Vielzahl kollaborativer und partizipatorischer Praktiken hervorgebracht. Zum Beispiel die kollektive Generierung von Wissen (z. B. Wikipedia), die gemeinsame Sammlung von (Geo-)Daten (z. B. ASB SCHOCKT) oder der produktive Umgang mit Daten mit Erkenntniswert für die Zivilgesellschaft (z. B. Data Science for Social Good Berlin). Im Engagement bringt die digitale Kollaboration sowohl für etablierte Organisationen als auch für kleine Vereine eine entscheidende Neuerung mit: sie ermöglicht neue Formen der Beteiligung. Online-Teilnahmen an Sitzungen, onlinebasierte Abstimmungen oder die Auseinandersetzung mit digitalen Daten sowie Materialien verdeutlichen die Wirksamkeit digitalen Engagements. Häufig folgen diese neuen Modi der Wissensproduktion einem Bottom-up-Ansatz. Dieser ermöglicht es Bürger*innen, mit ihrem Wissen und ihren Anliegen bspw. bei der Erstellung von Online-Karten für barrierefreie Orte oder für die gefühlte Sicherheit von Mädchen und Frauen in Großstädten zu unterstützen und somit Grundlagen für Entwicklungsprozesse zu schaffen.

Neues Miteinander im Netz: Engagement für eine bessere Diskurskultur

Ein weiteres Engagementfeld, das sich durch die Digitalisierung herauskristallisiert hat, betrifft die Diskurskultur und politische Meinungsbildung in unserer Gesellschaft. Hier gibt es mittlerweile zahlreiche digitale Räume für den Austausch von Meinungen. Die Diskurskultur in den sozialen Medien, Kommentarsektionen und Nachrichtendiensten folgt allerdings anderen Strukturen als die analoge Kommunikation. Nicht alle Nutzer*innen beachten hier zum Beispiel die Regeln der höflichen Umgangsform. So entziehen unzivile Kommunikationsformen wie Hasskommentare oder Trolling oft der öffentlichen Kontroverse faktisch den Boden (BMFSFJ, 2020, S. 46). Deshalb sind in den letzten Jahren viele Engagement-Organisationen und -Projekte entstanden, die zumeist präventive Strategien zum Umgang mit diskriminierenden oder volksverhetzenden Inhalten entwickelt haben. Die Facebookgruppe #ichbinhier zielt beispielsweise auf Intervention durch Facebook-Nutzer*innen ab, die auf Hasskommentare mit sachlicher, konstruktiver und menschenfreundlicher Gegenrede reagieren. Zivilgesellschaftliche Hassrede-Beratungs- und Vernetzungsstellen wie HateAid oder Das NETTZ bieten Unterstützung für Betroffene und betreiben Aufklärungs- sowie Bildungsarbeit. Einen anderen Ansatz verfolgt die Online-Plattform und App Diskutier Mit Mir: Sie bietet die Möglichkeit zum direkten Meinungsaustausch. Nutzer*innen werden dabei von einem Algorithmus mit Menschen verbunden, die andere Meinungen als sie selbst vertreten. In 1-zu-1-Chats können anschließend politische Themen anonym und kontrovers diskutiert werden.

Engagement in Zeiten der Pandemie

Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien haben insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie an gesellschaftlicher Relevanz zugenommen, indem eine Umstellung auf digitale Formen der Zusammenarbeit zwangsläufig erforderlich wurde. Da ein soziales Miteinander im physischen Raum im Zuge der Maßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 derzeit nur eingeschränkt möglich ist, finden Engagement, solidarische Gesten sowie kollektive Diskussions- und Aushandlungsprozesse vermehrt im virtuellen Raum statt (siehe Blogartikel COVID-19 und die gelebte Solidarität im Netz). Menschen bieten beispielsweise ihre Hilfe in Portalen zur Nachbarschafts- oder Kiezhilfe an oder beteiligen sich an Online-Petitionen zur Hilfe von besonders betroffenen sozialen Gruppen. Gleichzeitig führt die Corona-Pandemie aber auch zu einem deutlichen Rückgang der Spendenbereitschaft sowie der Mitgliederzahlen in Organisationen, wie im ZiviZ Discussion Paper Folgen der Coronakrise für Engagement und Zivilgesellschaft herausgestellt wurde. Die Aneignung und Vermittlung digitaler Kompetenzen stellt viele Organisationen vor Herausforderungen, folgert das ZiviZ Policy Paper Digital durch die Krise. Potenziale der Digitalisierung für den gemeinnützigen Bereich werden aber durchaus erkannt, indem zum Beispiel gänzlich neue virtuelle Räume für kreatives und innovatives Engagement entstehen.

So what?

Prozesse der Digitalisierung beeinflussen sämtliche Lebensbereiche, so auch das gesellschaftliche Engagement. Neue Engagementfelder und -formen entstehen, wie etwa digitale Modi der Wissensproduktion, des gemeinwohlorientierten Teilens von Wissen oder das Engagement für eine bessere Diskussionskultur im Netz. In Zeiten der Pandemie hat die Relevanz digitaler solidarischer Praktiken zugenommen. Gemeinnützige Organisationen stellte COVID-19 jedoch auch vor einige Herausforderungen: Um ihr Tagesgeschäft fortzuführen, mussten neue Mittel und Wege der Kommunikation und Kollaboration erprobt werden. 

Literatur

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020). Dritter Engagementbericht – Schwerpunkt: Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter. (BT-Drs. 19/19320). Berlin.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Claudia Haas

Ehem. Projektleitung: Fachveranstaltungen zum Dritten Engagementbericht

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