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KI auf betrieblicher Ebene verhandeln
02 November 2023| doi: 10.5281/zenodo.13221761

Zwischen Experimentierräumen und Ampelsystemen: KI auf der betrieblichen Ebene verhandeln

Systeme, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, haben inzwischen in vielen Bereichen der Arbeitswelt Einzug gehalten. Doch wie kann die Einführung solcher Systeme mit den Rechten und Bedürfnissen der Beschäftigten in Einklang gebracht werden? Darüber verhandeln Management und Vertretungen der Arbeitnehmer*innen auf der betrieblichen Ebene. 

In den Medien stellen Hersteller*innen von KI-Systemen diese gerne als unkontrollierbar dar. Sie sind es jedoch keineswegs: Je nachdem wie Entwickler*innen und Organisationen Künstliche Intelligenz gestalten und einsetzen, können die Systeme sich positiv oder negativ auf die Arbeitsplätze von Beschäftigten auswirken. Daher haben sich eine Reihe von Regierungen weltweit zum Ziel genommen, den Einsatz von KI zu regulieren. Denn KI ist eben keine unkontrollierbare oder neutrale Kraft: KI ist politisch. 

Während derzeit etwa in der Europäischen Union über die KI-Verordnung verhandelt wird, finden auch auf betrieblicher Ebene bereits Verhandlungen über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz statt. Betriebsräten kommt eine besonders wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, die Interessen der Beschäftigten zu wahren und sicherzustellen, dass KI-Systeme die Arbeitsbedingungen für diese verbessern und nicht verschlechtern. Eine sachliche und konstruktive Verhandlung der Technologie jenseits des medial erzeugten KI-Hypes fordert jedoch nicht nur politische, sondern auch betriebliche Akteur*innen heraus. Unsere Interviews mit Mitbestimmungsakteur*innen zeigen auf, dass Künstliche Intelligenz diese zwar vor neue Herausforderungen stellt, sie jedoch auch Wege finden, mit diesen in den betrieblichen Verhandlungen umzugehen. 

KI stellt die Vertretung von Beschäftigteninteressen vor neue Herausforderungen 

Eine Unsicherheit in den Verhandlungen über den Einsatz von KI ergibt sich daraus, dass ihr Einsatz für Beschäftigte zunächst nicht sichtbar ist, da es sich dabei um Software-Lösungen handelt, die teils in Standardlösungen integriert sind. Hinzu kommt, dass Hersteller und Anbieter von Künstlichen Intelligenzen sich häufig auf Geschäftsgeheimnisse berufen und Details zu den Funktionsweisen der angebotenen Systeme nicht preisgeben. Auch das Management trägt zu dieser Intransparenz bei, wenn es Beschäftigten und ihren Vertreter*innen keine ausreichenden Informationen über KI-Vorhaben in der Organisation zur Verfügung stellt. 

Gleichzeitig werden unter der Überschrift KI häufig unterschiedliche Technologien verhandelt. Denn Künstliche Intelligenz bezeichnet keine konkrete Technologie, sondern ist ein Sammelbegriff, der die “Grenze des computergestützten Fortschritts” beschreibt. Auch wenn KI heute in engem Zusammenhang steht mit Verfahren des Maschinellen Lernens, ist es eine Herausforderung, Regulierungsdiskussionen und Verhandlungen unter dem umstrittenen Begriff KI zu führen. Nicht nur die begriffliche Abgrenzung fordert eine Regulierung heraus, sondern auch die fehlenden geografischen Grenzen von KI. Denn häufig sind KI-Projekte von globaler Natur, sodass sich die Verhandlungspartner*innen der Arbeitnehmer*innenvertretungen im Ausland befinden und mit den Regeln der deutschen Mitbestimmung nicht vertraut sind. 

Eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit des Einsatzes sowie eine sachliche Bewertung der Auswirkungen von KI wird durch den polarisierten medialen Diskurse erschwert. Künstliche Intelligenz wird sowohl als “unaufhaltbarer Fortschritt” dargestellt, der den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sichern soll, als auch als Gefahr für Gesellschaft und Arbeitswelt. Teils sind es die gleichen Akteur*innen – die Technologie-Anbieter selbst – die beide Positionen öffentlich vertreten. Bei der Regulierung und betrieblichen Verhandlung von KI gilt es, diesen Hype kritisch zu hinterfragen.  

Künstliche Intelligenz im Interesse der Beschäftigten verhandeln

Arbeitnehmer*innenvertetungen nähern sich dem Thema KI an, indem sie zunächst neue Ansätze erproben. Dazu gehört zum Beispiel, die Regelungen bis zu einem gewissen Grad zu flexibilisieren, indem sie klar definierten und abgegrenzten Pilotprojekten oder “Experimentierräumen” zustimmen. Die Unbestimmtheit des KI-Begriffs führt zudem dazu, dass in den Regelungen technische Details im Hintergrund stehen. Stattdessen stehen die Auswirkungen von KI-Systemen sowie die Ziele und Zwecke der Einführung im Vordergrund von Vereinbarungen. 

Gleichzeitig werden die Verhandlungen und Regelungen zu Künstlicher Intelligenz jedoch auch stark strukturiert. In einigen Betrieben werden neue Prozesse und Instrumente eingeführt wie etwa “Ampelsysteme”, die KI-Systeme nach ihrer Kritikalität klassifizieren und anhand dessen das weitere Vorgehen spezifizieren. Im Ergebnis kann beispielsweise stehen, dass ein KI-System ohne gesonderte Regelung eingeführt werden darf, dass es gesondert geprüft werden muss oder dass es gar nicht eingeführt werden darf. Auch Checklisten und KI-Projektsteckbriefe helfen dabei, die Verhandlungen zu strukturieren

Schließlich ist es für Arbeitnehmer*innenvertretungen wichtig, sich für diese Verhandlung zu vernetzen. Ein gemeinsames langfristiges Leitbild für die Arbeit mit KI – etwa in Form von gemeinsamen Leitlinien oder Prinzipien – schafft die Grundlage für die interne Zusammenarbeit. Externe Sachverständige, Forscher*innen oder KI-erfahrene Arbeitnehmer*innenvertretungen aus anderen Organisationen unterstützen bei der Entwicklung dieses Leitbildes und der Bewertung von KI-Vorhaben. 

Arbeitnehmer*innenvertretungen als Gestalterinnen der Zukunft der Arbeit 

Arbeitnehmer*innenvertretungen werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle dabei spielen, KI-Projekte im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Die zunehmende technologische Komplexität der Systeme, die Arbeitnehmer*innenvertretungen verhandeln, erfordert viele Ressourcen. Sind diese nicht vorhanden, kann Mitbestimmung durch die Überforderung von Arbeitnehmer*innenvertretungen ausgehöhlt werden. Aktuelle Diskussionen rund um generative KI und ihrer regulatorischen Herausforderungen unterstreichen die Notwendigkeit, sich weiterführend mit der betrieblichen Verhandlung von Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen. Dabei sollten die Narrative der Technologie-Anbieter jedoch kritisch in Frage gestellt werden und der Fokus auf die realen Risiken und Potenziale von KI gerichtet werden, anstelle der hypothetischen. 

Dieser Beitrag ist gekürzt und wurde am 27.09.23 auf dem Blog des WZB veröffentlicht. Er basiert auf Erkenntnissen einer Interviewstudie mit Mitbestimmungsakteur*innen und wurde auf der Konferenz Digitalisierung, Arbeit und Gesellschaft in der postpandemischen Konstellation vorgestellt. Weitere Informationen finden Sie in dem Diskussionspapier KI und betriebliche Mitbestimmung und dem Praxishandbuch KI in der Wissensarbeit

In diesen Beitrag sind Erkenntnisse aus Projekten eingeflossen, für die die Autorin Förderung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Hans-Böckler-Stiftung erhalten hat.

Bildrechte: Anton Grabolle / Better Images of AI / Classification Cupboard / CC-BY 4.0

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Sonja Köhne

Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft

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