Unsere vernetzte Welt verstehen
Leuchten als IoT-Plattform im Einzelhandel
Kleine und mittelständische Unternehmen investieren immer häufiger in digitale Innovationen, um auf den rasanten Wandel zu reagieren, der mittlerweile alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfasst hat. Doch wie Mittelständler die Chancen, die der digitale Wandel bereithält, konkret nutzen, bleibt oft im Verborgenen. In einer aktuellen Studie des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und Sirius Minds haben wir bereits einige erfolgreiche Digitalisierungsprojekte des Mittelstands analysiert. In diesem Blogpost stellen Janis Stöckle und Alexander Nicolai ein weiteres Unternehmen vor, das mit einer Internet-of-Things-Lösung das eigene Geschäftsmodell weiterentwickeln konnte.
Die ELPRO Lichttechnik GmbH ist ein mittelständischer Leuchtenhersteller aus dem Sauerland. Der familiengeführte Betrieb ist spezialisiert auf die optimale Ausleuchtung von Objektgeschäften und bietet lichttechnische Beratungen für den Einzelhandel. In einem innovativen Projekt erweiterte ELPRO seine Angebotspalette an Leuchten und Lichtkonzepten für Läden des Einzelhandels um eine Art Internet-of-Things-Plattform. Das neue Angebot ermöglicht so dem stationären Einzelhandel eine breite Palette unterschiedlicher Digitalisierungsmaßnahmen. Insbesondere können Unternehmen des Einzelhandels nun relevante Kundeninformationen sammeln und auswerten.
Ausgangspunkt der Überlegungen zu der auf die Leuchtenhardware gestützten Plattform war die Erkenntnis, dass KundInnen, wenn sie online einkaufen, jede Menge Informationen zu sich und ihrem Kaufverhalten auf der Website des Online-Shops hinterlassen. Diese Möglichkeiten gibt es für den stationären Einzelhandel in aller Regel nicht. Den Impuls für das Projekt bekam der Geschäftsführer von ELPRO, Kai Wiegelmann, durch ein US-amerikanisches Softwareunternehmen, das Straßenleuchten verschenkte, mit der Absicht, die Leuchten auch als Informationssammelpunkte zu nutzen. So konnte die US-Firma riesige Mengen von Daten sammeln. Diesen Ansatz übertrug Wiegelmann auf sein Geschäftsmodell und stattet die innovativen Leuchten von ELPRO mit weiteren digitalen Funktionen aus.
„Man kann sich das Medium Leuchte wie einen kleinen Appstore vorstellen, der je nach Kundenbelangen diverse Informationen wie beispielsweise Bewegungsstrukturen, Temperaturmessungen oder digitale Preisauszeichnungen generiert.“
Kai Wiegelmann, Geschäftsführer ELPRO Lichttechnik GmbH
Für die digitale Erweiterung der Produktpalette setzt ELRPO auf bestehende Infrastrukturen
Als Basis des Digitalisierungsprojekts von ELPRO dient ein bereits bestehender Bestandteil des Lichtkonzepts: Die Strom-Matrix in der Decke eines Ladengeschäfts. Dieselbe Infrastruktur kann auch für die Verbindung mit dem Internet genutzt werden. Dies ermöglicht es, die Leuchten nicht nur als Lichterzeuger, sondern in Verbindung mit Sensoren auch als IoT-Plattform zu nutzen. „Man kann sich das Medium Leuchte wie einen kleinen Appstore vorstellen, der je nach Kundenbelangen diverse Informationen, wie beispielsweise Bewegungsstrukturen, Temperaturmessungen, digitale Preisauszeichnungen generiert”, erklärt Kai Wiegelmann. Da das bestehende Leuchtensystem eines Einzelhändlers typischerweise flächendeckend konstruiert ist, können damit sehr gut derartige Daten gesammelt werden. ELPRO will sich in dem Prozess als Plattformbetreiber positionieren, der letztlich nur als Vermittler zwischen EndkundInnen und dem Einzelhandel auftritt.
Der Wandel im Unternehmen war nicht immer einfach
Als besondere Herausforderung erwies sich während des Innovationsprojekts in dem traditionellen, metallverarbeitenden Betrieb die Sensibilisierung der MitarbeiterInnen. „Die Mitarbeiter sollen jetzt auf einmal keine Leuchten mehr bauen, sondern Datengeneratoren”, so Wiegelmann. Dieser radikale Wandel führte bei Einigen zu Abwehrreaktionen gegenüber der neuen Technologie. Besonders wichtig ist daher laut Wiegelmann, die Beschäftigten positiv auf den Wandel einzustimmen und sie an den Veränderungsprozessen teilhaben zu lassen: „Die größte Herausforderung war es also die Menschen mitzunehmen, sie von der Vision zu begeistern und sie davon zu überzeugen, dass diese Entwicklung und dieser Wandel für alle Beteiligten das Beste ist, und auch eine Existenzsicherung für die Firma darstellt.” Herausfordernd erwies sich darüber hinaus auch die Finanzierung des Innovationsvorhabens. So setzte ELPRO auf eine Finanzierung durch Eigenmittel, was zwar eine höhere Kontrolle über das Projekt ermöglichte, in Konsequenz aber zu einer längeren Laufzeit des Projekts führte.
Neben der reinen Produktinnovation konnte auch die Gesamtorganisation vom Innovationsprojekt profitieren
Trotz dieser Hürden bei der Umsetzung fielen die ersten Resonanzen von möglichen Kunden im Einzelhandel durchweg positiv aus und die IoT-Plattform-Leuchten sollen bald in Serie produziert werden. In relativ kurzer Zeit hat es somit eine relativ konservative Organisation geschafft, sich auf den digitalen Wandel einzustellen. Von diesem Wandel blieb auch Wiegelmann nicht verschont, der „noch einmal ein ganz anderes Gespür für den digitalen Wandel” gewinnen konnte. Für ihn ist diese neu gewonnene Fähigkeit auch für künftige Projekte ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Um anderen Mittelständler bei der Umsetzung von Digitalisierungsaktivitäten Hilfestellung zu bieten, empfiehlt Kai Wiegelmann folgende drei Schritte:
- Eine gründliche Auswahl aller beteiligten Partner des Projekts ist wichtig. Hierbei auch auf das Bauchgefühl und die eigene Menschenkenntnis vertrauen. Ein gutes Zusammenspiel – eben auch auf menschlicher Ebene – ist in längerfristigen Projekten für effektives Voranschreiten sehr hilfreich.
- Klare die Ziele und Interessen des Projekts den relevant Akteuren vor Augen führen.
- Mutig sein und auch ein bestehendes, an sich funktionierendes Geschäftsmodell zu hinterfragen. Nur so kann man innovativ und zukunftsträchtig sein.
In der Studie gibt es weitere spannende Fälle von erfolgreicher Digitalisierung im Mittelstand!
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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