Unsere vernetzte Welt verstehen
Nutzerinnovationen im Energiemarkt – Neues Forschungsprojekt ist auf der Suche nach den Energie-Prosumern
Foto: Hendrik Send, Matti Große, Moritz Neujeffski
Die Bundesregierung hat sich mit der Energiewende auf den Weg gemacht, unsere Energieversorgung auf nachhaltige, erneuerbare Energie umzustellen. Um diese Wende zu vollziehen, müssen wir grundlegend die Erzeugung, Verteilung, Speicherung und den Verbrauch von Energie überdenken. Eine zentrale Rolle kommt dabei den Verbrauchern zu. Sie müssen als Energie-Prosumer Verbrauch, Speicherung und Einspeisung auf die dynamischere Versorgungssituation anpassen und so Netzengpässe und Überkapazitäten vermeiden (BMWi – Smart Energy made in Germany, 2014).
Aber obschon Smart Energy Technologien seit einer Weile viel diskutiert werden, bleiben sie im Umfeld der Verbraucher bislang hinter den Erwartungen zurück. Anwendungen, die es den Verbrauchern beispielsweise ermöglichen die Energieeffizienz zu prüfen, zu steuern oder gar ökonomischen Nutzen daraus zu ziehen, sind in Deutschland nur in sehr geringem Maße verbreitet und treffen teilweise auf wenig Akzeptanz (Verbraucherzentrale Sachsen, 2012). Grund dafür ist auch ein Mangel an überzeugenden Lösungen, welche die Probleme der Nutzer lösen.
Verbraucher als Innovatoren
Eine Lösung in dieser Situation könnte sein, die Verbraucher ernster zu nehmen. Alvin Toffler (1980)1 prägte den Begriff Prosumer für diejenigen Verbraucher, die nicht nur produzierend am Markt auftreten, sondern Produkte und Dienstleistungen selbst verbessern und verändern und diese dann dem Markt wieder zur Verfügung stellen. Weil Nutzer ihre eigenen Bedürfnisse häufig wesentlich besser kennen als Unternehmen, sind diese häufig Quelle von erfolgreichen Innovationen und steigern den Erfolg von Neuprodukten, wenn sie in der Produktentwicklung eingebunden werden (Von Hippel, 2005).2 Daher generieren sie in anderen technologischen Entwicklungsfeldern, wie in der Softwareentwicklung oder im Freizeitsport, sowie aktuell bei der Entwicklung von 3D-Druckern oder im Robotik-Bereich kontinuierlich eine Vielzahl von Produkt- und Dienstleistungsinnovationen. Gerade das Internet und darin genutzte Plattformen bilden hier für Nutzercommunities eine wichtige Grundlage, sich zu organisieren und Ideen zu diskutieren, zu teilen, zu verbessern und weiterzuverarbeiten. Die deutsche Online-Bevölkerung nutzt genau hierfür sehr breit und intensiv das Internet, wie das HIIG in der Partizipationsstudie 2014 bereits festgestellt hat.
Auch im Bereich von dezentraler Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch werden Nutzer zu Innovatoren. Bei der Maker Faire 2015 in Hannover, die sich als Mekka der Selbermacher bezeichnet, haben dieses Jahr ca. 10.000 Besucher unter anderem Projekte zur selbstgemachten Photovoltaik-Stromversorgung und -Speicherung angesehen und diskutiert. Über den finnischen Markt existiert schon Forschung zu solchen Nutzern und den Mechanismen, mit denen sie Ideen entwickeln, austauschen und verbessern (Hyysalo, Juntunen, Freeman, 2013).3
Perspektivwechsel für Smart Energy
Das BmWi sieht die Rolle der Prosumer bislang darin, ihren Energieverbrauch effizient zu überwachen und zu gestalten. Als Verbraucher sollen sie durch Installationen von Solarpanelen, Windrädern oder Wärmepumpen selbst Strom produzieren und somit im Rahmen von so genannten Smart Grids einen signifikanten Anteil des Energie-Mix beitragen (BMWi – E-Energy – IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft, 2009). In dieser Perspektive sollen Energie-Prosumer sich in unterschiedlichen Wertschöpfungsarrangements engagieren und insbesondere in digitalen Plattformen ein zentrales Koordinationswerkzeug finden, so die Annahme.
Aufgrund der spannenden Möglichkeiten für die Rolle des Prosumers bei der Entwicklung hin zu einer smarten Energieproduktion und -nutzung und der in der Praxis geringeren Aktivität der Prosumer im engeren Sinne, werden wir uns im Forschungsvorhaben, das von der innogy Stiftung unterstützt wird, mit den Fragen beschäftigen, ob Prosumer nicht selbst Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anpassen können. Wir wollen wissen, welche Barrieren Nutzerinnovationen im Energiemarkt bremsen, beziehungsweise welche förderlichen Faktoren im 3D Printing, Freizeitsport und Open Source Bereich vorhanden sind und im Energiemarkt fehlen. Dabei stellen sich insbesondere die Fragen, wo und wie Nutzerinnovationen im Energiemarkt stattfinden können und in Ansätzen bereits stattfinden und wie die Innovationstätigkeit intensiviert werden kann. Vertiefend fragen wir uns, welche Bekanntgabe-, Diskussions-, Verbesserungs- und Verbreitungsmechanismen innovative Energie-Prosumer nutzen können und welche notwendig sind, um nutzerzentrierte Innovationen im Energiesektor zu ermöglichen.
Unternehmen und Prosumer
Da in anderen Bereichen nutzerzentrierte Innovations- und Geschäftsmodelle sehr erfolgreich genutzt werden, wollen wir abschließend aufzeigen, wo im Bereich von Smart Energy nutzerzentrierte Innovations- und Geschäftsmodelle zu einem besseren Markterfolg und einer schnelleren Diffusion beitragen können. Vor allem im Bereich von 3D Printing und Open Source Software hatte das Internet eine zentrale Rolle dabei, die vorherrschenden Entwicklungen zu ermöglichen und zu stimulieren. Wir nehmen an, dass eine ähnliche Rolle des Internets im Smart Energy Markt denkbar ist.
Rückmeldungen an uns
Parallel zur Arbeit an den theoretischen Grundlagen sprechen wir mit Verbrauchern, großen und kleinen Anbietern im Energiemarkt und Innovatoren. Wir freuen uns über jeden Vorschlag für spannende Gesprächspartner und Fallstudien. Nachricht gern an matti.grosse@hiig.de oder send@hiig.de.
1 Toffler, A. (1980), The Third Wave, Bantam Book, USA.
2 Von Hippel, E. (2005), Democratizing innovation, MIT Press, Cambridge, Massachusetts, London, England.
3 Hyysalo,S., Juntunen, J., Freeman, S. (2013), User innovation in sustainable home energy technologies, Energy Policy 55: 490-500.
Dieser Blogartikel spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.
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