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IMR
08 April 2013

Open Government und Open Science – erleichtert durch “Open Law”

von Julian Staben

Open Government und Open Science sind Initiativen, die zur Öffnung politischer und wissenschaftlicher Prozesse aufrufen. Während Open Science die Öffnung der einzelnen Schritte wissenschaftlichen Arbeitens für die Fachöffentlichkeit und interessierte Laien proklamiert, bezeichnet der eng verwandte Begriff Open Government das entsprechende Schwesterphänomen für den Bereich der politischen Steuerung.

Doch welche Bedeutung hat Recht für diese beiden Transparenz- bzw. Öffnungsphänomene?

Beide Initiativen sind auf den Zugriff zum Recht als Mittel bzw. Gegenstand ihres Prozesses angewiesen. Open Government fordert, dass Bürger in einer Demokratie einen möglichst ungehinderten Zugang zu den Normen und Maßnahmen haben, denen sie unterworfen sind, um hierüber in einen Dialog mit ihren Repräsentanten zu treten und sie eventuell ändern zu können.1 Recht ist also in seiner Funktion als wichtiges Herrschaftsmittel von Interesse. Open Science begrüßt seinerseits den ungehinderten Zugriff auf den Forschungsgegenstand einer Wissenschaft – in diesem Falle der Rechtswissenschaft. Um Governance und Wissenschaft zu öffnen, müsste also auch Recht “offen” sein.

In den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen steht in den allermeisten Rechtsbereichen zunächst das geschriebene Gesetzesrecht im Vordergrund.2 Beide Initiativen sind also vor allem darauf angewiesen, Zugang zu relevanten Gesetzen zu erlangen. Natürlich ist es den Akteuren dieser Bereiche jederzeit möglich, sich in der entsprechenden Fachbuchhandlung mit einer redaktionell bearbeiteten Ausgabe der wichtigsten Gesetze zu versorgen und viele Gesetze sind z.B. unter www.gesetze-im-internet.de verfügbar. Doch beide Optionen sind entweder teuer oder bleiben zumindest hinter den mannigfaltigen Möglichkeiten der Kombination von Recht und Technik zurück. Was sind also die Möglichkeiten, um diesen Bewegungen das Recht zugänglicher zu machen?

CC0 BundesGit

Ein Projekt, das sich der Verbesserung der Zugänglichkeit von Recht widmet, ist das von Stefan Wehrmeyer betriebene BundesGit. Das Ziel ist es, das geschriebene Bundesrecht so für Mensch und Maschine aufzubereiten, dass die Möglichkeiten des (technischen) Umgangs mit den Gesetzen erweitert werden. Wenn man davon ausgeht, dass Lawrence Lessig mit seiner Äußerung “Code is Law” Recht hat, dann stimmt vielleicht manchmal auch: “Law is Code”. Für sein Projekt bediente sich Stefan Wehrmeyer daher der kollaborativen Versionsverwaltung GitHub, in welche normalerweise Programmierer den von ihnen verfassten Quelltext hochladen und öffentlich zugänglich machen können. Änderungen im Text lassen sich über die Versionskontrolle nachverfolgen. Dies schafft schon die Voraussetzungen für die erste juristisch interessante Verwendungsmöglichkeit der Plattform: Die Veränderung von Gesetzen und einzelnen Paragraphen über Jahre und Jahrzehnte kann vom Nutzer mit einfachsten Mitteln nachvollzogen werden. Eine interaktive Visualisierung für die Änderungen des PartG lässt sich schon jetzt finden.

Aber auch für den Gesetzgebungsprozess ist das Projekt interessant, würden die bestehenden Möglichkeiten vom Bundestag erstmal genutzt. Die verschiedenen Entwürfe und Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsprozesses ließen sich einfach nachvollziehbar machen. Durch Änderungsgesetze gegenstandslos gewordene Verweise – also die “Fehler 404” des gesetzlichen Rechts – ließen sich frühzeitig verhindern. Wenn ein Entwurf für ein Änderungsgesetz in einem Bereich eingebracht würde, der für bestimmte Personen von besonderem Interesse ist, könnten diese über die möglichen Änderungen benachrichtigt werden. Dies würde es ihnen erlauben, von Anfang an an der Diskussion über das Gesetz teilzuhaben. Verabschiedete und in Kraft tretende Änderungsgesetze würden als Aktualisierung direkt auf die Geräte der Nutzer transferiert werden. Lästiges Nachsortieren von Loseblattsammlungen gehörte der Vergangenheit an.

Darüber hinaus bieten sich aber für den juristischen Alltag noch viel tiefgreifendere Öffnungsmöglichkeiten im Sinne von Open Science: Die gesetzlichen Normen ließen sich nämlich einfach mit online veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen, Aufsätzen und Kommentierungen verknüpfen.

Neben diesen bisher zumindest z.T. noch sehr theoretischen Möglichkeiten sind die Gesetze im Moment im Vergleich zu anderen Online-Quellen aber immerhin ansprechend gelayoutet, so dass sogar die QNormBanV fast einladend aussieht.

Zwar werden Jurastudenten auf absehbare Zeit nicht ihre Tablets oder Notebooks mit einer BundesGit-Anwendung als Ersatz für die Gesetzessammlungen Schönfelder oder Sartorius in der Klausur nutzen können. Aber langfristig werden die Möglichkeiten der Plattform – vielleicht auch irgendwann mit Unterstützung des Bundestages selbst – von Wissenschaft, Praxis und interessierten Laien im Sinne von Open Science und Open Government nutzbar sein.

1 Zu Transparenz und Demokratie z.B. Schauer, U. ILL. L. REV. 2011-4, S. 1339 (1348 ff.).>

2 Auf den häufig vor allem praktisch nicht viel weniger relevanten Zugang zu gerichtlichen Entscheidungen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Martin Pleiss

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