Goodcoin – Verlässlicher Datenschutz für Bonus- und Zahlungssysteme
Das Goodcoin-Projekt war ein dreijähriges Forschungsvorhaben mit dem Ziel, ein datenschutzfreundliches Bonuspunkte- und Kundenbindungssystem zu entwickeln. Trägerin des Projektes war die Humboldt-Universität zu Berlin; die Begleitforschung erfolgte in Kooperation mit dem Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft sowie der Bonsum UG.
Interessenkollision durch Technikgestaltung auflösen
Bonus- bzw. Treuepunktesysteme sind ein Werkzeug, um das Kaufverhalten zu analysieren und umfassende Profile der Käuferinteressen zu erstellen. Auf dieser Basis möchte der Handel dann personalisierte Angebote und eine individuelle Ansprache potenzieller Interessenten erreichen. Um die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten nach informationeller Selbstbestimmung mit den Wünschen des Handels in Einklang zu bringen, erforschte das Projekt “Goodcoin” ein leistungsfähiges, aber anonymes Bonuspunktesystem.
Ziel war es, die Erstellung von Konsumprofilen durch eCommerce-Anbieter zu verhindern. Dennoch sollten Anbieter das Konsumverhalten statistisch auswerten können, um neue Markttrends zu bestimmen und frühzeitig ihre Angebotsstruktur darauf auszurichten. Im Projekt wurden zudem Möglichkeiten erforscht, wie datenschutzfreundliche Produktempfehlungssysteme realisiert werden können, um Kundinnen und Kunden damit auch eine digitale Beratung zu den Produkten anzubieten.
In technischer Hinsicht wurden Algorithmen entwickelt, mit denen anonyme Bonuspunkte und Einkaufsstatistiken erzeugt werden können.
Dabei basiert die Erzeugung der Bonuspunkte auf einem Modell einer digitalen Währung mit blinden Signaturen in einem Dreiparteiensystem, bestehend aus Kundinnen, Händlern und der Goodcoin-Betreiberin. Nach jeder Transaktion bei teilnehmenden Händler erhalten die Kundinnen Bonuspunkte, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Die Ergebnisse wurden unter [1] publiziert.
Nachdem innerhalb des Projektes für die Erzeugung anonymer Einkaufsstatistiken zunächst geplant war, mit probabilistischen Datenstrukturen zu arbeiten, wurde dies verworfen, nachdem sich diese als zu ungenau herausstellten, um eine individuelle Ansprache zu ermöglichen, und umgestellt auf die Erforschung eines Korrelationsanalyseverfahrens. Da derartige Verfahren zu diesem Zeitpunkt nur für unverschlüsselte Datenbanken existierten, wurden zu dessen Umsetzung zwei neue Lösungskonzepte erarbeitet. Die Ergebnisse wurden unter [2] publiziert.
Die juristische Begleitforschung konzentrierte sich auf die Bewertung des Bezahl- sowie des Statistikmoduls.
Es stellte sich heraus, dass die vom Goodcoin-Projekt geplante Systemstruktur hinsichtlich des Bezahlmoduls den Anforderungen des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes unterworfen ist, da es sich bei den Bonuspunkten um E-Geld im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 2 dieses Gesetzes handelt. Weniger eindeutig fiel aber die juristische Analyse des Statistikmoduls aus. Ziel war es, durch die Systemarchitektur nicht nur eine Anonymität im technischen, sondern auch im rechtlichen Sinne sicherzustellen, zum einen deshalb, um den regulatorischen Anforderungen der DS-GVO zu entgehen, als auch aus dem Grund, da diese die Anonymisierung als eine geeignete Garantie für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen behandelt. Als problematisch stellte sich dabei heraus, dass der Anonymitätsbegriff im Datenschutzrecht gegenüber den (vielen) technischen Anonymitätsbegriffen autonom ist und nicht auf ein spezifisches außerrechtliches Konzept Bezug nimmt. Ferner konnte auch nicht auf einen ausgearbeiteten Ansatz für die Überprüfung eines informatischen Systems auf die Erfüllung rechtlicher Anforderungen zurückgegriffen werden, da ein solches innerhalb der Rechtswissenschaften nicht existiert. Zurückgegriffen werden musste daher in dieser Hinsicht auf eine rechtsfremde Methode, die der Systementwicklung entstammt: die der Validierung. Als Prüfungsgegenstand kommt dann nicht ein konkretes technisches System in Betracht, sondern dessen abstrakte Darstellung auf der Ebene der Spezifikation, welche dann im Wege einer semantischen Analyse mit rechtlichen Anforderungen abgeglichen werden kann. Dabei stellte sich heraus, dass der Rechtsbegriff der Anonymisierung derzeit noch an nicht behebbaren Inkonsistenzen leidet, der einen abschließenden Vergleich mit technischen Anonymitätskonzepten verunmöglicht. Die Forschungsergebnisse in diesem Bereich wurden insoweit unter [3] und [4] veröffentlicht.
Laufzeit | 01/2016 – 12/2018 |
Förderer | Das Projekt Goodcoin war Teil des BMBF-Verbundprojektes Datenschutz: “selbstbestimmt in der digitalen Welt” |
Literatur
[1] S. Brack, S. Dietzel, and B. Scheuermann, “ANONUS: Anonymous Bonus Point System with Fraud Detection,” in 2017 IEEE 42nd Conference on Local Computer Networks (LCN), 2017, doi: 10.1109/lcn.2017.50. Available: https://doi.org/10.1109/lcn.2017.50
[2] S. Brack, R. Muth, S. Dietzel, and B. Scheuermann, “Recommender Systems on Homomorphically Encrypted Databases for Enhanced User Privacy,” in LCN’ 19: Symposium of the 44th IEEE Conference on Local Computer Networks, 2019, doi: 10.1109/LCNSymposium47956.2019.9000668. Available: https://doi.org/10.1109/LCNSymposium47956.2019.9000668
[3] J. Hölzel, “Anonymisierungstechniken und das Datenschutzrecht,” Datenschutz und Datensicherheit – DuD, vol. 42, no. 8, pp. 502–509, Jul. 2018, doi: 10.1007/s11623-018-0988-z. Available: https://doi.org/10.1007/s11623-018-0988-z
[4] J. Hölzel, “Differential Privacy and the GDPR,” European Data Protection Law Review, vol. 5, no. 2, pp. 184–196, 2019, doi: 10.21552/edpl/2019/2/8. Available: https://doi.org/10.21552/edpl/2019/2/8
[5] S. Brack, J. Hölzel, B. Scheuermann, and S. Dietzel, “Goodcoin: Starker Datenschutz für Bonus- und Zahlungssysteme; Teilvorhaben: Algorithmenentwicklung und juristische Begleitung : Abschlussbericht,” [Humboldt-Universität zu Berlin], 2018 [Online]. Available: https://www.tib.eu/suchen/id/TIBKAT:1671924894/
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Björn Scheuermann, Prof. Dr.Assoziierter Forschungsdirektor
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Julian HölzelEhem. Assoziierter Forscher: Daten, Akteure, Infrastrukturen
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Stefan Dietzel, Dr.Ehem. Assoziierter Forscher: Daten, Akteure, Infrastrukturen
Zeitschriftenartikel und Konferenzbeiträge
Hölzel, J. (2018). Anonymisierungstechniken und das Datenschutzrecht. Datenschutz und Datensicherheit, 42(8), 502–509. Weitere Informationen
Andere Publikationen
Hölzel, J. (2017). Bitcoin – Plutokratie auf Raten? Digital Society Blog. Weitere Informationen
Vorträge
PETable GDPR? Anonymization Techniques and the LawPET-CON 2018.1: 8th Privacy Enhancing Techniques Convention. GI: Fachgruppe Datenschutzfördernde Technik. Einstein Center Digital Future, Berlin, Germany: 20.05.2018
Julian Hölzel
Personenbezug hat als Unterscheidungskriterium ausgedient: Wie Grundrechte und Grundfreiheiten auch durch die Verarbeitung nicht-personenbezogener Daten bedroht werden könnenDigitalisierung und Mobilität: Grundsatzfragen Informationsfreiheit und Datenschutz. instkomm – Institut für Kommunikationsforschung. Europäische Akademie, Berlin, Germany: 17.07.2017
Jörg Pohle, Julian Hölzel
Richterratschlag 2016: Kryptografische Währungen am Beispiel von Bitcoin. Justizakademie Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen, Germany: 05.11.2016Neue Richtervereinigung - Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V.
Organisation von Veranstaltungen
Privacy: Historischer Überblick und Vergleich ausgewählter KonzepteSecurity und Privacy in dezentralen Systemen. From 01.11.2017 to 14.02.2018. Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Germany. Co-Organised by: Schoppmann, Phillipp; Sparka, Hagen; Brack, Samuel; Henningsen, Sebastian; Scheuermann, Björn; Dietzel, Stefan (National)
Julian Hölzel
Geschichte und Theorie des eGovernmentwith attending Vip: Klaus Lenk. 19.04.2017. Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, Berlin, Germany (National)
Julian Hölzel, Jörg Pohle
Regulatorische Aspekte von KryptowährungenDigitale Währungen (M.A. Informatik/Humboldt-Universität zu Berlin). with attending Vip: Samuel Brack. From 18.04.2017 to 18.07.2017. Humboldt-Universität zu Berlin, RUD 25, Raum 3.113, Berlin, Germany (National)
Stefan Dietzel, Julian Hölzel