Die Kybernetik entstand aus der Tradition der militärischen Planung im Zweiten
Weltkrieg und verstand sich als eine Wissenschaft, die einen Kampf gegen Unordnung,
Chaos bzw. Entropie zu führen hatte. Dieser „Gegner“ war zudem verschlagen,
konnte täuschen und tricksen, so wie der Feind im Krieg, dessen Aktionen
man vorhersagen musste, um ihn zu beherrschen und zu besiegen. Obwohl
der Gründer dieser Disziplin, Norbert Wiener, ein ausgewiesener Antimilitarist
war, stand diese Denkschule doch stets im Dienst entsprechender Institutionen,
wie etwa der Rand Corporation und Cowles Commission, deren Denker diese
Sichtweise auch auf die Organisationslehre übertragen konnten und sie im Einklang
mit der Hierarchie in Wirtschaft und Politik und deren Anforderungen betrachteten.
Schon in den 60er-Jahren und folgend erkannte man allerdings die Grenzen
dieser Organisationslehre, insbesondere ihrer eindimensionalen Verhaltensannahmen.
Die Zuwendung zum Individuen, zur Individualität jenseits traditioneller
Modellannahmen, war nun eine Gegenreaktion, in der immer schwieriger Muster
erkennbar waren und Vorhersagen sich fast verbaten. In der „radikalen Kontingenz“
sind Entscheidungen ja immer auch anders möglich. Organisatorische Dezentralisierungen,
die notwendig waren, um schneller und flexibler auf Marktsignale
reagieren zu können, führten zu großen Problemen bei der Koordination: Der
Gipfel dieser Sichtweise, die Chaostheorie, versuchte zwischen dieser Kakophonie
an Handlungen nur mehr allgemeine Muster als Botschaften im Rauschen zu
erkennen: die Integration und Steuerung wurde aber dem Individuum zugewiesen,
welches sich in dieser Situation wohl allein gelassen fühlen musste. Durch
die Sozialen Medien gelang erst Anfang des neuen Jahrtausends immer mehr Individuen
die Flucht aus der Hierarchie, indem sie sich mit anderen Gleichgesinnten
zu Netzwerken zusammenschlossen, um ihre Interessen umzusetzen, indem
sie Software programmieren, Produkte entwickeln oder journalistische Inhalte erstellen.
Die Ergebnisse dieser Netzwerke sind sehr innovativ. Die traditionelle
Hierarchie in Politik und Wirtschaft setzt nun zur Kooptation an und wird sich im
Zuge dieser Vereinnahmung transformieren müssen, um etwa kybernetische Elemente
der Selbststeuerung zu integrieren, mit dem Ziel, die Anpassungsmöglichkeiten
an erratische Märkte und sich verändernde Gesellschaften zu erhöhen