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Schutzfristen ohne Ende? Was es mit dem Streit um Gemälde-Fotografien auf sich hat
“Sie gehören der Allgemeinheit” schreibt die Wikimedia Foundation über 17 Gemälde, die auf ihrer Seite hochgeladen wurden und wegen derer die Stadt Mannheim sie nun verklagt.
Die urheberrechtliche Schutzfrist der Gemälde aus den Reiss-Engelhorn-Museen ist nämlich abgelaufen – ihre Urheber sind allesamt vor mehr als 70 Jahren gestorben. Das heißt, dass es jedermann frei steht die Gemälde zu fotografieren oder ins Internet zu stellen, ohne dass dadurch Urheberrechte betroffen würden.
Das Problem an diesem Fall ist aber, dass es nicht um Fotos geht, die Nutzer direkt von den Gemälden anfertigten, sondern um Reproduktionen von Fotos der Gemälde. Die von Wikimedia genutzten Fotos erstellte der Haus-Fotograf des Mannheimer Museums. Die Frage ist also, ob durch die Anfertigung dieser Fotos Rechte des Fotografen begründet wurden, die Wikimedia davon abhalten können, die Bilder frei zu verwenden.
Lichtbildwerk? Lichtbild? Ein Blick auf den mehrschichtigen Schutz von Fotos
Natürlich genießen auch Fotografien teilweise urheberrechtlichen Schutz (das Urheberrechtsgesetz bezeichnet sie als “Lichtbildwerke”). Dafür müssen sie aber eine bestimmte Originalität aufweisen; sie müssen eigene geistige Schöpfungen des Fotografen sein.
Was macht Originalität bei Fotos aus? 2010 kam ein Fall vor den EuGH, in dem es um ein Portraitfoto von Natascha Kampusch ging, das eine Fotografin in der Schule aufgenommen hatte und die Presse später im Rahmen der Berichterstattung über den Entführungsfall ohne Einwilligung verwendete. Das Foto war ein relativ gewöhnliches Portraitfoto, wie sie von durch Schulfotografen typischerweise angefertigt wird. Der EuGH (Rn. 89 ff. des Urteils) führte damals aus, dass Originalität freie “kreative Entscheidungen” des Urhebers erfordere:
“In der Vorbereitungsphase kann der Urheber über die Gestaltung, die Haltung der zu fotografierenden Person oder die Beleuchtung entscheiden. Bei der Aufnahme des Porträts kann er den Bildausschnitt, den Blickwinkel oder auch die Atmosphäre wählen. Schließlich kann er bei der Herstellung des Abzugs unter den verschiedenen bestehenden Entwicklungstechniken diejenige wählen, die er einsetzen möchte, oder gegebenenfalls Software verwenden.
Der Urheber einer Porträtfotografie kann mit diesen unterschiedlichen Entscheidungen dem geschaffenen Werk somit seine ‘persönliche Note’ verleihen.”
Ob nach diesen Kriterien nun Urheberrechtsschutz besteht, müssen dann die nationalen Gerichte entscheiden. Obwohl diese Anforderungen je nach Argumentation erstmal auf relativ viele Fotos zutreffen könnten (selbst auf einfache Portrait Aufnahmen), werden sie von nationalen Gerichten teilweise eng ausgelegt. Das zeigt anschaulich ein Fall aus Frankreich, indem ein Pariser Gericht sogar einem – vermutlich eher aufwändig gestalteten – Portrait von Jimmy Hendrix den Urheberrechtsschutz absprach.
Jedenfalls in Fällen, in denen Fotografen Gemälde möglichst naturgetreu ohne kreative Freiheiten abbilden, wird auch in Deutschland in aller Regel der Urheberrechtsschutz versagt werden.
Allerdings gibt es hierzulande eine Besonderheit: Leistungsschutzrechtlicher Schutz besteht auch für nicht-originelle Fotos – sogenannte “Lichtbilder”. Der Fotograf bekommt demnach einen dem Urheberrecht ähnlichen Schutz, der 50 Jahre besteht. Was genau die Anforderungen an die Entstehung dieses Schutzes sind, ist umstritten, und ein wichtiger Teil des Rechtsstreits zwischen der Stadt Mannheim und der Wikimedia Foundation. Eigentlich knüpft der Lichtbildschutz an eine rein technische Leistung an, die früher eben sehr aufwendig war. Teilweise werden aber etwas strengere Anforderungen an die “Leistung” gefordert, die aber jedenfalls unter den Anforderungen an Lichtbildwerke liegen1. Das Landgericht Berlin erkannte Fotos von Gemälden des Mannheimer Museums schon in einem Beschluss im Mai Lichtbildschutz zu. Damit könnte der Fotograf die Vervielfältigung und das Hochladen grundsätzlich verbieten.
Mögliche Einschränkung des Lichtbildschutzes
Jedenfalls wenn Gemälde in Museen ausgestellt werden, in denen fotografieren untersagt ist, ist die Situation unbefriedigend: Das Gemälde ist gemeinfrei aber die einzig existierenden Fotos haben Lichtbildschutz, sodass Nutzer sie nicht reproduzieren können. Damit kommen den Nutzern nicht die Freiheiten zugute, die sonst bei gemeinfreien Werken bestehen. Die urheberrechtliche Schutzfrist des original Werkes wird damit in gewisser Hinsicht faktisch verlängert.
Diesen Punkt sah auch das AG Nürnberg in einem früheren Verfahren der Reiss-Engelhorn-Museen von Ende Oktober und entschied, dass der Lichtbildschutz in diesen Fällen enger ausgelegt werden muss (man spricht von einer “teleologischen Reduktion”). Sonst drohten die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen zu werden.
Ob auch das Berliner Gericht diesen Argumenten folgen wird, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, hätte dies tiefgreifende Konsequenzen für Wikimedia, da viele Bilder überprüft und entfernt werden müssten.
Rechtsunsicherheit für Nutzer von Fotos in Europa
Obwohl Urheberrecht teilweise durch Richtlinien vereinheitlicht wurde, sprechen europäische Vorgaben erstmal nicht gegen den deutschen Schutz von einfachen Lichtbildern. Die Schutzdauer-Richtlinie erlaubt dies sogar ausdrücklich. Zu Rechtsunsicherheit führt die derzeitige Situation aber allemal: Betrachtet man allein Deutschland und Frankreich zeigt sich wie unterschiedlich die Rechtslage ist. Während französische Gerichte (s.o.) strenge Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Fotografien stellen und das Gesetz keinen Lichtbildschutz vorsieht, kommt in Deutschland so gut wie allen von Menschen angefertigten Fotografien ein 50-jähriger Leistungsschutz zu. Für Nutzer, die Fotos online teilen, ergeben sich daraus erhebliche Unsicherheiten, zumal sich – wie die Klagen der Reiss-Engelhorn-Museen zeigen – bisher nicht einmal die nationalen Gerichte über die Grenzen des Lichtbildschutzes einig sind.
Der sog. Reda-Report zum Urheberrecht, welchen das EU-Parlament verabschiedete, fordert eine Klarstellung und Sicherung der Gemeinfreiheit. Der Fall des Lichtbildschutzes zeigt, dass die Offenheit der Schutzdauer-Richtlinie gegenüber unterschiedlichem nationalen Fotografienschutz derzeit zu stark divergierende Rechtslagen in den Mitgliedstaaten und Unsicherheit für die Nutzer führt. Eine Vereinheitlichung, die der Bedeutung der Gemeinfreiheit Rechnung trägt, wäre hier sicherlich wünschenswert.
1 s. dazu A. Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht Kommentar, § 72 Rn. 9 ff.
Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.
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