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30 Juli 2014

Urbane Sicherheit – Ein Innovationsprozess vom Ideenrohling zur technischen Realisierung

Seit meinem letzten Blog-Eintrag im Februar als Vorbereitung zum Kreativ-Workshop der Fraunhofer-Gesellschaft für Responsible Research and Innovation ist viel passiert. Einerseits haben sich die geförderten Verbundvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mittlerweile konkretisiert, sodass einzelne Projekte wie etwa “Unterstützungssysteme für urbane Events: Multikriterielle Vernetzung für Offenheit und Sicherheit (Multikosi)”, “Sicherheit älterer Menschen im Wohnquartier (SENSIKO)”, “Mehr Sicherheit im Fußball – Verbessern der Kommunikationsstrukturen und Optimierung des Fandialogs (SiKomFan) und Sicherheitskooperation für Bus und Bahn (SKOBB)” herausgebildet wurden.

Anderseits haben wir gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Sicherheits- und Materialforschung, Architektur, Stadtplanung, Rechtswissenschaft (Cybersicherheit), Creative Industries, Mobilität, Ingenieurswissenschaft und Sensorik “Ideenrohlinge” erarbeitet, die in weiterführenden Workshops von anwendungsorientierten Forscherteams der Fraunhofer-Gesellschaft jeweils auf ihren Innovationsbeitrag, ihre Marktnähe, ihr Förderungspotenzial bezüglich öffentlicher Fördermittel und schließlich ihre technische Realisierbarkeit mit verhältnismäßigen Kosten überprüft wurden und werden.

Dabei sind insbesondere durch das breite Spektrum von Expertinnen und Experten mit den vielfältigsten akademischen und beruflichen Hintergründen Ideen entstanden, die in mono-disziplinarischen Forschungsumfeldern kaum denkbar gewesen wären. Ein wesentlicher Ansatz bei der Ideengeneration war dabei die strikte Trennung von der Entwicklung einer Idee und deren Bewertung. Durch diesen Ansatz und durch die Weitergabe und –entwicklung von Ideenrohlingen zwischen den Expertenteams sind innerhalb kürzester Zeit aus teilweise verrückten Einfällen echte Projekte geworden.

Der Innovationsfokus liegt dabei, angeregt vor allem durch die Vorgaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und dessen Förderziele auf den Aspekten Mobilität und Gebäudesicherheit. Wie bereits die oben genannten Projekte des BMBF zeigen, handelt sich es dabei um klassische Themenfelder urbaner Sicherheit, die nicht erst im 21. Jahrhundert Menschen in urbanen Räumen beschäftigen. Bemerkenswert ist für mich dabei vor allem die Tatsache, dass sämtliche Forschungsskizzen des BMBF eine digitale Komponente vermissen lassen und sich lediglich mit den typischen urbanen Herausforderungen wie dem öffentlichen Nahverkehr, der Sicherheit von Großveranstaltungen und einer sicheren Verkehrsinfrastruktur beschäftigen.

Selbstverständlich sind diese Herausforderungen für ein sicheres (Zusammen-)Leben in einer modernen urbanen Gesellschaft wichtig und darüber hinaus sind Forschungsansätze mit digitaler Zielrichtung auch in sog. klassischen Sicherheitsbereichen nicht ausgeschlossen, dennoch verwundert es, dass explizite Innovationsanreize im Bereich der Cybersicherheit fehlen.

Die Forschung sucht sich, trotz ihrer nicht zu verleugnenden Abhängigkeit von der Einwerbung öffentlicher Fördergelder, wie so oft, zum Glück dennoch ihren eigenen Weg. Nahezu sämtliche erdachte, überprüfte und möglichweise umzusetzende Projekte, die aus den verschiedenen Innovations-Workshops entstanden sind, haben entweder eine unmittelbare digitale Zielrichtung oder machen sich digitale Technologien zunutze. Beispielhaft seien autonome Rettungssysteme für Gebäude in Notfallsituationen, Navigationsapplikationen für stationäre oder mobile Endgeräte, die Evakuierungsprozesse individuell steuern können, oder Systeme zur Aufnahme, Auswertung und Verbreitung von sicherheitsrelevanten Informationen in Echtzeit an Nutzer von Verkehrsinfrastrukturen (Staumeldungen, Identifizierung von Kriminalitätsschwerpunkten, usw.) genannt.

Da wir als HIIG nun nicht nur ein Institut für Internet, sondern auch für Gesellschaft sind, setzen wir selbstverständlich nicht ohne Not auf Digitalisierung in allen Lebensbereichen, sondern stellen uns jeweils intensiv die Frage, an welcher Stelle gesellschaftliche Strukturen in sinnvoller Weise durch digitale Innovationsprozesse erweitert und verbessert werden können. Ein maßgeblicher Aspekt meiner Forschung ist dabei stets die Ergebnisoffenheit von Innovationsprozessen und die damit verbundene Entdämonisierung von technischen Entwicklungen. Nicht nur, aber vor allem auch im Bereich der urbanen Sicherheit spielen Faktoren wie die Furcht vor einer Totalüberwachung und die Unsicherheit von digitalen Infrastrukturen eine große Rolle in der Bewertung von innovativen Sicherheitskonzepten. Dass diesen durchaus berechtigten Sorgen einerseits bereits im Innovationsprozess, aber andererseits auch insbesondere im Umsetzungsprozess begegnet wird, stellt eine, wenn nicht gar die Herausforderung der aktuellen Forschung zur Cybersicherheit dar.

Ein frühzeitiges Zusammenwirken von Politik, Verwaltung, Gesellschaft, Forschung und Wirtschaft hilft beim Aufbau von Vertrauen und wirkt irrationalen Entscheidungen entgegen, die sich aus der Angst um die eigene Sicherheit ergeben. Dies vor allem deswegen, da sich urbane Sicherheit maßgeblich aus einem subjektiven Sicherheitsgefühl heraus ergibt. Dass sich dieses subjektive Empfinden möglichst mit der objektiven Sicherheitslage in positiver Hinsicht deckt, sollte das erklärte Ziel einer Gesellschaft sein. Digitale Technologien sind in nahezu sämtlichen Lebensbereichen in Zukunft nicht mehr wegzudenken und wenn die Nutzung nicht reinen wirtschaftlichen Wechselwirkungen folgen soll, sind dringend politische und gesellschaftliche Steuerungsaspekte bereits im Innovationsprozess nötig.

Die Hinzuziehung von Expertinnen und Experten aus vielfältigen Bereichen ist dabei ein geeignetes Mittel um einerseits die Ideenvielfalt zu erhöhen, und andererseits ein breites gesellschaftliche Spektrum bei der Auswahl von förderungswürdigen Projekten einzubeziehen. Nicht nur bei der angewandten Forschung, der sich die Fraunhofer-Forschung grundsätzlich widmet, sondern auch zur Grundlagenforschung sollten daher verstärkt interdisziplinäre Herausforderungen identifiziert und bearbeitet werden.

Weiterführende Links:

Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institutes für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Adrian Haase, Dr.

Ehem. Doktorand: Globaler Konstitutionalismus und das Internet

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