Unsere vernetzte Welt verstehen
Warum ein View nicht gleich ein View ist
Für die Reichweitenmessung von Online-Inhalten auf den verschiedenen Plattformen fehlt es an einheitlichen Standards. So zählen drei Sekunden bei Facebook als View, während es bei YouTube ca. 30 Sekunden sind. Für Werbekunden, Nutzer und die Produzenten stellt dies eine komplizierte Situation dar. Auch die Abhängigkeit und Intransparenz der Metriken von den Plattformen ist an vielen Stellen problematisch. Eine Vereinheitlichung der Messungen steht erst am Anfang. Auch kommt hier ein generelles Problem von Big Data zum Tragen: Wie und nach welchen Kriterien werden die riesigen Datenmengen ausgewertet?
Früher war alles so schön einfach: Am nächsten Werktag verkündete die Tageszeitung die Einschaltquoten der letzten “Wetten, dass…?”-Sendung. Begrenzte Daten, verlässliche Messung und eine klare Aussage. Die Einschaltquoten ließen sich dann mit denen der vergangenen Sendungen und mit dem Programm anderer Sender am gleichen Abend vergleichen. Heute bieten Online-Plattformen eine Fülle von Daten über die Erfolgsmessung von Content. Auf jeder Plattform, sei es YouTube, Facebook, Instagram oder Vimeo lassen sich die View-Zahlen unter den Videos öffentlich in Echtzeit einsehen. Darüber hinaus existieren weitere Daten wie z.B. die Abonnenten eines Channels, die öffentlichen Kommentare und auf Facebook eine ganze Reihe an verschiedenen Emojis, die von den Nutzern vergeben werden können. Da fällt es schwer den Überblick zu behalten und die aussagekräftigen Zahlen zu interpretieren.
Für den Nutzer stellt sich eine unübersichtliche Situation dar. Nicht nur die Fülle der Daten ist überwältigend, sondern es fehlt auch an einem einheitlichen Standard. Folgende Grafik zeigt, wie unterschiedlich ein einzelner View auf den verschiedenen Plattformen gemessen wird.
Eine Vergleichbarkeit der Viewzahlen auf unterschiedlichen Plattformen ist also nicht gegeben. Auch aus Sicht der Werbekunden ist eine verlässliche und vergleichbare Messung der Reichweiten von entscheidender Bedeutung. Im Herbst diesen Jahres wurde öffentlich bekannt, dass Facebook die View-Zahlen auf seiner Plattform in der Vergangenheit deutlich geschönt hatte (Wall Street Journal September 2016). Dies zeigt, wie intransparent die Messung einerseits ist und wie abhängig Nutzer, Werbekunden und auch die Produzenten von den Plattformen und deren Algorithmen sind.
Sowohl für die Werbekunden als auch für die Produzenten der Inhalte ist es erstrebenswert eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Aus Sicht der Produzenten stellen die kontinuierlichen Veränderungen der Algorithmen und die trendabhängige Bevorzugung bestimmter Inhalte ein Problem dar. Unter YouTube-Produzenten war zuletzt der Ärger über die Plattform groß, da viele Channel mit ihren üblichen Inhalten deutlich weniger Views erzielten und sogar Abonnenten verloren. Bevorzugt werden mutmaßlich Videos mit reißerischen Titeln und entsprechenden Thumbnails (Broadmark Dezember 2016). Verantwortlich für den Rückgang der View-Zahlen war offenbar der Umstand, dass neue Videos nicht mehr so prominent für die Nutzer auf der Plattform präsentiert wurden. Creator stehen also vor der Herausforderung ihre Inhalte nicht nur so zu produzieren, dass sie möglichst gut bei ihren Zuschauern ankommen, sondern auch den Algorithmen der Plattform Rechnung tragen. Das führt häufig zu sogenanntem Clickbaiting.
Die Distribution von Inhalten über Online-Plattformen bietet viele Vorteile: niedrige Kosten für die technische Bereitstellung, eine on-demand Verfügbarkeit der Inhalte für eine zeitunabhängige Nutzung und einen großen Reichtum an Nutzungsdaten. Bei den oben besprochenen Daten handelt es sich nur um die öffentlich zugänglichen Daten, intern können die Produzenten und besonders die Plattformen noch auf viel mehr Daten zurückgreifen und diese auswerten. Letztendlich zeigt sich hier ein generelles Problem von Big Data. Für den Umgang und die richtige Auswertung von großen Datenmengen müssen die richtigen Parameter und allgemeingültige Standards entwickelt werden. Firmen wie Nielsen in den USA oder die AGF in Deutschland arbeiten an der Integration von Daten aus der Online-Nutzung in die Reichweiten der Fernsehausstrahlung. Letztendlich bedarf es auch eines größeren Drucks der Werbekunden auf einheitliche und verlässliche Standards. Dieser Druck wird mit Sicherheit kommen, wenn sich die Werbebudgets weiter in Richtung Online verschieben. Dann besteht auch ein erweitertes Interesse an einer präziseren Auswertung der Nutzung nicht nur in Form von Views, sondern unter Einbeziehung weiterer vorhandener Daten.
Photo: flickr.com CC BY-SA 2.0
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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